Abschrift
„Die Russische Revolution war ja so ein Standardwerk, das jeder politisch Interessierte irgendwann mal gelesen hat. Und da war viel von Freiheit und Demokratie die Rede. In dieser Tradition gab es die Idee, sich daran zu beteiligen – und zwar mit einem Spruch aus der Russischen Revolution: Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden`. Damit sollte zum Ausdruck kommen, dass Demokratie fehlt, dass es Leute gibt, die dafür eintreten, und dass es eine Phase ist, die der Staat vollzieht mit dieser Gärung. Damals waren wir zu dritt, Andreas Kalk, Bert Schlegel und ich. Wir verabredeten uns, um ein Transparent zu malen, uns irgendwie dahin zu begeben und mit zu demonstrieren. Wir machten das, malten im Atelier meines Vaters das Transparent, trafen uns am Morgen dort, schafften es 50 Meter aus der Haustür raus. Wir wurden gleich wieder verhaftet und nach Rummelsburg gebracht, wie Hunderte andere auch.
Wir wurden eingesperrt, unter Anklage gestellt, später verurteilt. Viele wurden in den Westen abgeschoben, entlassen. Andreas Kalk und ich wurden, als zwei von ganz Wenigen, in die DDR entlassen.
In dieser Haft wurde ich durch Kirchenvertreter gefragt, wenn ich entlassen werden würde, wohin. Ich habe ganz klar gesagt: in die DDR. Da ist mein Zuhause, da habe ich gewirkt, da will ich weiter wirken und mich an der Gesellschaft beteiligen. Damit nahm ich natürlich eine weitere Haft in Kauf. Dieses Angebot kam aufgrund des öffentlichen Drucks, denn unsere Verurteilung war ja in den Medien. Sie war der Tagesschau eine Meldung wert. Es war also nicht unbekannt, was da passierte. Meine Mutter versuchte hinter den Kulissen mit Bürgschaften, Zusagen und Versprechen dafür zu sorgen, dass ich nicht abgeschoben wurde. Ich war ja immer noch minderjährig!“
Till Böttcher, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de