Abschrift
Es war am Jahrestag der Solidarnosc;, und diesen Tag bin ich wieder mit meiner polnischen Fahne rum gefahren. An diesem Tag hat man mich einfach weggefangen. Man hat mir vorgeworfen, meine kleine polnische Fahne mit der Aufschrift ´Solidarnosc; z polskim narodem` (Solidarität mit dem polnischen Volk) sei Missachtung staatlicher Symbole. In den Verhören habe ich natürlich gemerkt: Es geht nicht um die polnische Fahne. Der Vernehmer hat zu mir gesagt: ´Die polnische Fahne, das ist doch bloß Kompott. Sie wissen doch genau, um was es geht. Es geht um Ihre Aktivitäten, die sie vorher schon gemacht haben. Es geht darum, dass sie den Tod von Matthias Domaschk auch im Westen öffentlich gemacht haben. Es geht darum, dass sie am 1. Mai unsere Staatsführung in Misskredit gebracht haben. Dass sie den 1. Mai sozusagen denunzieren. Darum geht es. Um alles, was sie machen`.
In der DDR ist verhaftet worden, wenn das Maß voll war. Da wurde man einfach abgeholt. Dann wurde ein Schauprozess gemacht, irgendwas findet man schon. Und so hat man bei meiner Hausdurchsuchung die Postkarten mit dem Bildungsverbot gefunden, und die hat man dann in das Ermittlungsverfahren mit reingenommen. So wurde ich verknackt. Und nachdem man mich verurteilt hatte, kam ein Vernehmer zu mir in die Zelle und hat gesagt: ´Na, Jahn, haben Sie nun gesehen – es geht nicht drum, wer Recht hat und auf wessen Seite die Gesetze sind. Es geht darum, wer die Macht hat. Und die haben wir. Im Interesse der Arbeiterklasse`. Das ganze Verfahren lief darauf hinaus, mich so unter Druck zu setzen, dass irgendwann der Tag kommt, an dem ich abwinke. Wo ich resigniere, wo ich sehe: Es hat keinen Sinn mehr, in dieser DDR weiterzumachen.
Es entstand plötzlich eine Protestwelle, so dass man unsere ganze Gruppe aus Jena kurzfristig rauslassen musste. Die Entlassungen in der DDR, das war natürlich ein Triumph: Jede Macht hat ihre Grenzen. Mit dieser Entlassung war für mich klar, ich bleibe in der DDR. Wir haben viele, viele Chancen. Wir müssen uns nur zur Wehr setzen, und wir müssen Mitstreiter suchen. Das hat mir die Kraft gegeben, weiterzumachen in der DDR. Und ich habe immer gesagt: Ich bleibe.
Roland Jahn, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de