Hermann Joseph Flade
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Achim Beyer - Der Schauprozess gegen Hermann Joseph Flade
Abschrift
„Hermann Joseph Flade war ein Gleichaltriger. Ich habe ihn später in der Haft kennen gelernt und danach sehr viel Kontakt mit ihm gehabt. Hermann Joseph Flade hatte in Olbernhau im Erzgebirge als Einzelgänger Flugblätter hergestellt. So ähnlich, wie wir das gemacht haben. Und darüber wurde berichtet, übrigens auch in der DDR-Presse, natürlich verfälscht. Tatsache war: Er ist während des Verteilens von zwei Volkspolizisten überrascht worden und hat sich mit einem Messer zur Wehr gesetzt. Er hat dem einen in den Oberarm gestochen. Er kam kurz wieder frei, aber wurde nach einigen Tagen wieder verhaftet. Übrigens sein Beichtvater auch, der Pfarrer: Langer, der acht Jahre Zuchthaus bekommen hat.
Hermann Joseph Flade wurde im Januar 1951 in einem großen Schauprozess zum Tode verurteilt. Das ging natürlich durch DDR-Presse. Zum Tode verurteilt wegen Mordversuch. Das war der Vorwurf, aber es sprach sich schnell herum, dass das nicht der Fall sein konnte, denn der Polizist war während des Prozesses schon wieder putzmunter aufgetreten. Durch alle Welt natürlich ein Aufschrei. Aber dieses Urteil sollte abschreckend wirken gegen jegliche Opposition. Wie wir heute durch Kontakte mit Gruppen wissen, von denen man damals nur ahnte, dass sie vielleicht existierten. Inzwischen kennt man sich ein bisschen untereinander.
Bei uns in unserer Werdauer Gruppe, wie auch bei anderen, bewirkte das Todesurteil das Gegenteil. Wir sagten uns: Das kann man wohl nicht hinnehmen, das kann man nicht hinnehmen. Ein Todesurteil, schon wegen eines solchen Flugblattes... Wir haben ja auch nichts anderes gemacht. Dann dauert es noch 14 Tage und man wird wegen einer kleinen Bemerkung während des Unterrichts zum Tode verurteilt! Das ist ja wohl nun die Grenze, da muss man unbedingt was dagegen tun. Und wer bisher nichts dagegen getan hat, macht es vielleicht jetzt. Und es ist wirklich heute nachweisbar, dass die Widerstandsbewegung unter Jugendlichen in dieser Zeit zugenommen hat. Gewisserweise aus Solidarisierung heraus mit Hermann Joseph Flade und dann vor allem als Gegnerschaft zu dem System.
Und dann haben wir ein weiteres eigenes Flugblatt mit Schreibmaschine getextet und vervielfältigt, ganz primitiv, und verteilt. Die Zahl der Flugblätter war immer so zwischen 300 und 500. Bis zu 1.000 hatten wir auch mal, je nachdem, wo wir das Papier herbekommen haben und wie viel Papier wir hatten. Da war oftmals ein Engpass. Dieses Flugblatt haben wir auch an höhere Funktionäre, Justizfunktionäre und so weiter verschickt. Dieses Flugblatt ist erhalten geblieben. Das liegt vor, ein etwas längerer Text, in dem aufgerufen wurde, gegen dieses Todesurteil zu protestieren.“
Quelle: Zeitzeugeninterview mit Achim Beyer am 11. Oktober 1998, Sächsischer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
- Thomas Ammer - Radikalisierung durch Schauprozesse
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