Heinz Grünhagen
Strausberg, Frühsommer 1953. Heinz Grünhagen, ein 20-jähriger Bauarbeiter, hat in dem nahe Berlin gelegenen Ort eine gut bezahlte Stelle gefunden. Obwohl er noch so jung ist, lässt man ihn bereits auf der Vertrauensposition eines Brigadiers arbeiten. Für zehn bis dreizehn Kollegen schreibt er die Arbeitsleistungen auf und rechnet sie beim sogenannten Normer ab. Einmal monatlich lässt er die Berichte vom Bauleiter gegenzeichnen. Die SED verlangt in dieser Zeit immer mehr von den Arbeitern. Heinz Grünhagen weiß, was die geforderte zehnprozentige Normerhöhung bedeutet: Der Lohnverlust ist groß. Er weiß auch, dass die Mehrheit der Kollegen den erhöhten Arbeitsdruck ablehnt. Am Abend des 16. Juni 1953 hört er im RIAS, dass Berliner Bauarbeiter zum Sitz der DDR-Regierung ziehen. Dort fordern sie nicht nur die Rücknahme der Normerhöhung, sondern auch freie Wahlen.
Heinz Grünhagen ist frisch verheiratet, seine Frau ist schwanger. Er hätte also gute Gründe, sich politisch zurückzuhalten. Doch er ist von der Aktion der Berliner Bauarbeiter spontan begeistert. Am nächsten Morgen fährt er zur Baustelle, wo die Bauarbeiter sich im Kulturraum versammeln, um eine Streikleitung zu wählen. Auch Heinz Grünhagen gehört zum Streikkomitee.
Heinz Grünhagen und seine Kollegen bemächtigen sich mehrerer LKW der Bau-Union und fahren von einem Betrieb zum anderen, um überall im Kreis Strausberg zum Streik aufzufordern. Im Zementwerk Rüdersdorf fordern sie die Freilassung der politischen Gefangenen, die dort unter schwersten Bedingungen arbeiten müssen. Das Lager ist von der Polizei bewacht. Die Demonstranten gehen einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit den bewaffneten Wachmannschaften aus dem Weg und fahren nach Strausberg zurück.
Auf der Baustelle essen sie zu Mittag, dann machen sie sich auf den Weg nach Ost-Berlin. Kasernierte Volkspolizei und sowjetische Militärs sichern die Stadtgrenze. Als die Arbeiter vorrücken, feuern die Russen Warnschüsse ab. Die Kolonne fährt nach Strausberg zurück. Dort trennt man sich.
Nachts wird Heinz Grünhagen von der Stasi aus dem Bett geholt. Man fährt ihn zusammen mit anderen verhafteten Kollegen in die Bezirksstadt Frankfurt (Oder), wo die Verhöre beginnen. Am 25. Juni 1953 findet der Prozess statt, Heinz Grünhagen ist mit seinen 20 Jahren der jüngste Angeklagte. Er erhält fünf Jahre Zuchthaus. Das Gericht wirft ihm vor, bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei Wortführer der Streikenden gewesen zu sein. Der junge Mann verbüßt seine Strafe im Zuchthaus Luckau. Nach seiner Haftentlassung im Jahre 1956 bleibt er in der DDR. Heinz Grünhagen arbeitet fortan im Straßenbau. Jegliche berufliche Entwicklung bleibt ihm versagt. Nach der Friedlichen Revolution 1989 engagiert sich Heinz Grünhagen dafür, die Erinnerung an den Aufstand vom 17. Juni 1953 lebendig zuhalten.
Biografische Angaben zu Heinz Grünhagen finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Heinz Grünhagen“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145509
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