Insel Rügen 1984. Als sich die 22-jährige Evelyn Zupke und ihr Freund weigern, zur Wahl zu gehen – in ihren Augen zum bloßen „Zettelfalten“ –, werden sie von ihren Kollegen im Ferienheim des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds massiv unter Druck gesetzt. Nach endlosen Schikanen durch die Kollegen kündigt das Paar und sucht sich eine Arbeit in einer kirchlichen Einrichtung, dem Auffangbecken für Andersdenkende und Oppositionelle in der DDR.
Später in Ost-Berlin, im Weißenseer Friedenskreis, überlegt Evelyn Zupke mit Freunden, wie man der DDR-Führung den anstehenden Wahlbetrug bei der Kommunalwahl am 7. Mai 1989 nachweisen könnte. In ihrer Wohnung im Stephanus-Stift ist ein „Wahlbüro“ der Berliner Opposition eingerichtet. Hier zählen die Freunde am Abend des 7. Mai 1989 die Ergebnisse aus. In den darauffolgenden Tagen und Wochen drucken sie Flugblätter und gemeinsam mit der Umwelt-Bibliothek Berlin (UB) die Dokumentation Wahlfall. So wollen sie die eigenen Ergebnisse und den Wahlbetrug bekannt machen. Die Gruppe schreibt Eingaben an verschiedene staatliche Institutionen, um die Korrektur der Wahlergebnisse einzufordern. In dieser Zeit wird Evelyn Zupke von der Stasi observiert – ganz offen, um sie einzuschüchtern.
Das Ministerium für Staatssicherheit holt Evelyn Zupke regelmäßig vor den für jeden 7. eines jeden Monats geplanten Protestdemos zum „Gespräch“ ab. Man verbietet ihr die Teilnahme, stellt sie unter Hausarrest, erteilt ihr Innenstadtverbot. Da sie ihre Wohnung nun nicht mehr verlassen darf, schmuggeln Freunde etwas für sie aus dem Haus und bringen es zur Sophienkirche: die für die erste Demonstration gegen den Wahlbetrug am 7. Juni 1989 von den Demonstranten nachgemachte Wahlurne, die sie in ihrem Kleiderschrank versteckt. Die jungen Oppositionellen wollen den Schutz der Kirche verlassen und an die Öffentlichkeit treten, auch wenn das von den älteren Kirchenoberen als zu gefährlich eingeschätzt wird. In den folgenden Monaten sollen die Demonstrationen auf dem Ostberliner Alexanderplatz stattfinden.
Am 7. September 1989 gelingt es Evelyn Zupke, die Stasi-Leute, die sie bespitzeln, abzuschütteln und sich zum Treffpunkt auf dem Alex zu schleichen. Dort wird sie zusammen mit Frank Ebert und den anderen Demonstranten verhaftet. Diesmal geht die Stasi allerdings mit einer Brutalität vor, die sie sehr erschreckt. Den Kellnern in den umliegenden Cafés erzählt die Stasi, dass hier nur ein Film gedreht würde. Man solle sich nicht wundern.
Biografische Angaben zu Evelyn Zupke finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Evelyn Zupke“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145500
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Ich war schon ein Musterkind. Ich war bei den Pionieren, in der FDJ. Bis zur neunten Klasse lief bei mir eigentlich alles ganz bilderbuchmäßig. Aber nicht so mit der akuten Rotlichtbestrahlung aus dem Hintergrund. Ich kam dann zur EOS. Irgendwie fing es dann so ab der zehnten Klasse an, dass ich vieles als scheinheilig durchschaute. Dann habe ich viel rebelliert. Das war sicher eine Mischung aus pubertärer Rebellion und politischem Touch.
Ich fing in Staatsbürgerkunde an, ein bisschen zu diskutieren oder zog kein FDJ-Hemd an, wenn ich das sollte. Dann fing es langsam an, dass ich zum Direktor musste. Dann gab es so eine Sache an der EOS [Erweiterte Oberschule]: Da war ein Junge, der sich verpflichtet hatte, Offizier zu werden und deswegen auch an die Schule konnte, es sich dann aber wieder anders überlegte. Da war großer Bahnhof, große Versammlung und so eine Veranstaltung: ´Kritik und Selbstkritik` vom Feinsten. Der sollte bekehrt werden oder von der Schule fliegen. Alle sollten darüber abstimmen. Haben auch alle, bis auf zwei Leute: eine Freundin und ich. Das war nicht einsehbar für mich. Das fand ich verlogen. Der wurde total runtergemacht. Er hat mir einfach Leid getan. Mein normales Empfinden hat einfach dagegen gesprochen.
Es fing in der elften, zwölften Klasse an, dass ich sehr skeptisch war. Ich habe zwar mein Abitur mit zwei gemacht, aber dann ging es ja darum, sich zum Studium zu bewerben. Mir wurde gesagt: ´Sie brauchen sich gar nicht zu bewerben. In Ihrer Akte steht: nicht geeignet`. Ich weiß es gar nicht mehr so genau, aber da gab es solche Vermerke: geeignet, nicht geeignet.
Ich hatte sowieso keine Lust und war froh, dass ich mich in dem Moment, wo ich das Abitur in der Tasche hatte, von allem verabschieden konnte. Diese Bildung, dieses System empfand ich als verlogen und scheinheilig – das war mir in dem Moment schon teilweise bewusst. Ich wollte instinktiv so wenig wie möglich damit zu tun haben.
Evelyn Zupke, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de