Aram Radomski wird vom MfS observiert, als er zusammen mit Falk Zimmermann (IM des MfS) und Siegbert Schefke im März 1989 am Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche teilnimmt und dort Fotos macht. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft (BStU-Kopie)
Von der Stasi fotografiert: Falk Zimmermann (IM des MfS), Siegbert Schefke und Aram Radomski (v.l.n.r.) nehmen am 13. März 1989 am Friedensgebet in der Leipziger Nilolaikirche und an der anschließenden Demo teil und machen Fotos. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft / RHG_Fo_HAB_16012
Vor der Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 ist die Lage in Leipzig gespannt. Es wird das Schlimmste befürchtet. Westkorrespondenten ist der Aufenthalt in der Stadt verboten. Mit einer Videokamera baugleichen Typs filmen Aram Radomski und Siegbert Schefke den Tag der Entscheidung in Leipzig. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Frank Ebert
Leipzig, heißer Herbst 1989. In den letzten Monaten der DDR fahren die beiden Ostberliner Aram Radomski und Siegbert Schefke trotz Stasi-Überwachung jeden Montag nach Leipzig, um die Montagsdemonstrationen zu filmen. Westdeutsche Journalisten dürfen Ost-Berlin in dieser Zeit nur mit Sondergenehmigung verlassen, und die ist schwer zu bekommen. Sie sind auf Oppositionelle angewiesen. Ohne die Hilfe dieser mutigen DDR-Bürger gäbe es keine Bilder von den Leipziger Demonstrationen im Fernsehen.
Also drehen der Fotograf Aram Radomski und der Journalist und Kameramann Siegbert Schefke heimlich Filme von den demonstrierenden Menschenmassen. In Ost-Berlin treffen sie sich konspirativ in Kneipen oder Wohnungen mit westdeutschen Journalisten, die die Filme nach West-Berlin schmuggeln. Die westdeutschen Sendungen werden auch in den DDR-Haushalten empfangen.
Ihr berühmtester Film stammt von der Leipziger Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 – dem „Tag der Entscheidung“ als 70.000 Menschen friedlich demonstrieren und die Sicherheitskräfte sie nicht mehr aufzuhalten wagen. Die sensationellen Bilder sind noch am selben Abend in den Tagesthemen zu sehen. Um Aram Radomski und Siegbert Schefke zu schützen, wird vom Moderator behauptet, ein italienisches Fernsehteam hätte den Film gedreht.
Aram Radomski arbeitet seit 1987 mit Siegbert Schefke zusammen. Sie machen illegale Fotos und Filme von den Missständen in der DDR – zum Beispiel von den gravierenden Umweltzerstörungen. Die Videokameras und das Filmmaterial besorgt ihnen der ausgebürgerte Oppositionelle Roland Jahn. Er lässt das Equipment von Diplomaten oder Bundestagsabgeordneten, die beim Passieren der Grenze nicht durchsucht werden, in die DDR schmuggeln. Die Beiträge werden im westdeutschen Fernsehen, zum Beispiel bei Kontraste, gesendet. Über diesen Umweg gelangen die Bilder von den zerfallenden Altstädten Leipzigs oder Halberstadts in die ostdeutschen Wohnzimmer.
Ihre illegale Reporterarbeit ist riskant: Aram Radomski und Siegbert Schefke könnten nach DDR-Gesetzen wegen „Agententätigkeit“ bis zu zwölf Jahren Haft bekommen. Für den Fall ihrer Verhaftung filmen sie Selbstporträts und deponieren sie in West-Berlin. Im Notfall sollen diese Beiträge gesendet werden, damit die Öffentlichkeit von ihnen erfährt.
Was die engagierten Journalisten nicht wissen: Sie werden die ganze Zeit von einem ihrer Freunde im Auftrag der Stasi bespitzelt. Das entdecken sie erst nach 1989. Die Frage, warum die Stasi sie trotz ausreichender Beweislage nie inhaftierte, lässt sich schwer beantworten. Möglicherweise hoffte sie, durch die Fotos und Filme andere noch unbekannte Oppositionelle aufzuspüren.
Biografische Angaben zu Aram Radomski finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Aram Radomski“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145500
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Ich bin in einem Jugendclub überfallen, zusammengeschlagen worden und im Anschluss nicht ins Krankenhaus, sondern von der Polizei in Untersuchungshaft gebracht worden. Ich war schwer verletzt. Ich bin schneller im Gefängnis gewesen, als mir das überhaupt klar war. Ich habe das nicht verstehen können, weil ich eigentlich ein Opfer war und kein Täter. In der Zeit, in der ich da im Gefängnis war, hat sich bei mir extrem was verändert. Da habe ich eine Wut gekriegt – auf dieses ganze System. Das konnte ich für mich nicht so stehen lassen. Da habe ich im Grunde genommen auf den Tag gewartet, an dem ich das heimzahlen konnte.
Es sind in der damaligen Zeit sehr, sehr viele junge Leute wegen Nichtigkeiten im Gefängnis gewesen. Im Gefängnis selber war es sehr auffällig, wie viele junge Leute da eigentlich verhaftet waren. Die konnten nun unmöglich alle Kriminelle sein. Da war am Staatsmodell irgendwas falsch, wenn so viele junge Menschen auf die schiefe Bahn kamen. Aber die Leute, die ich da kennen gelernt habe, das waren ja keine Diebe oder Halbkriminelle. Das waren Leute wie ich, die mit der Polizei aneckten oder in Schwierigkeiten gerieten. Es war kein krimineller Hintergrund zu entdecken. Das heißt, dass viele Leute, die nicht so ganz staatskonform lebten, sehr schnell in den Fokus der Staatssicherheit gerieten. Meist, sobald sie die Pubertät verlassen hatten, mit 18, 19 Jahren. Wer hatte das eigentlich zu verantworten? Aber am Ende ging es ja auch um Erziehung. So nannte man das, glaube ich.
Diese Erziehung, die wurde nicht nur an mir vollzogen, sondern auch an vielen anderen Leuten. Wenn das so gewesen ist, dann sind die Gründe, wie man junge Leute mal eben ins Gefängnis bringt, relativ beliebig gewesen. Es gab da so ein paar Paragraphen, die für alles Mögliche hergehalten haben – und die immer wieder in den Urteilen der Leute auftauchten, die damals im Gefängnis waren.
Aram Radomski, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de