Rainer Müller vor der Benndorfer Kirche, an der er das Plakat zur Friedensdekade mit der Aufschrift „Frieden wächst aus Gerechtigkeit“ anbringt. Quelle: Privatbesitz
Rainer Müller im September 1986. Auf seiner Jeansjacke trägt er das Symbol der Friedensbewegung “Schwerter zu Pflugscharen“. Im November 1986 soll er seinen Wehrdienst als Bausoldat der NVA antreten, doch er entschließt sich zur Totalverweigerung. Quelle: Privatbesitz
Rainer Müller in der Mariannenstraße in Leipzig, wo er Ende der 1980er Jahre mit ein paar Freunden Wohnungen besetzt. Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig e. V./Siegbert Schefke
Rainer Müller beteiligt sich als Mitglied der Umweltgruppe aus Borna am Olof-Palme-Friedensmarsch. Hier auf dem Abschnitt vom KZ Ravensbrück zum KZ Sachsenhausen Anfang September 1987. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Rolf Walther/RHG_Fo_HAB_18031 Abschrift
Redeverbot: Leipziger Basisgruppen protestieren am 24. Oktober 1988 in der Nikolaikirche gegen das Verbot von selbst gestalteten Friedensgebeten. Auch vor der Kirche wird protestiert. V.l.n.r.: Udo Hartmann, Frank Sellentin, Rainer Müller, Anita Unger und Uwe Schwabe. Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig/Christoph Motzer
Leipzig am 9. Juli 1989: Rainer Müller (links) und Uwe Schwabe tragen auf der Abschlussveranstaltung des Kirchentags der Sächsischen Landeskirche ein Transparent mit den chinesischen Schriftzeichen für Demokratie. Sie protestieren damit gegen die blutige Niederschlagung der friedlichen Proteste in Peking am 4. Juni 1989. Die SED-Führung begrüßt das Massaker ausdrücklich. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft / RHG_Fo_HAB_17076
Leipzig, Herbst 1987. Rainer Müller (21) engagiert sich in verschiedenen Umwelt-, Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Leipzig, zum Beispiel im Arbeitskreis Solidarische Kirche, in der Umweltgruppe Borna, der Arbeitsgruppe Menschenrechte um Pfarrer Wonneberger und im Arbeitskreis Gerechtigkeit, zu deren Sprechern er seit 1988 gehört. Er beteiligt sich am Olof-Palme-Friedensmarsch im September 1987 und am Pleiße-Gedenk-Umzug durch die Leipziger Innenstadt am 5. Juni 1988.
Nach den Verhaftungen im Zusammenhang mit der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration am 17. Januar 1988 in Ost-Berlin rufen Rainer Müller und andere Leipziger den Sonnabendskreis ins Leben. Dieser soll die Oppositionsgruppen in der ganzen DDR vernetzen und koordinieren. Im Vorfeld der Leipziger Luxemburg-Liebknecht-Demonstration im Januar 1989 wird Rainer Müller wegen geplanter oppositioneller Aktionen verhaftet.
Zusammen mit Uwe Schwabe demonstriert er zum Abschluss des Sächsischen Kirchentags im Juli 1989 mit einem Transparent, auf dem in chinesischen Schriftzeichen "Demokratie" steht, gegen das von der SED begrüßte Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking und für die Solidarität mit der chinesischen Demokratiebewegung.
Fester Termin der Leipziger Oppositionsgruppen ist das montägliche Friedensgebet in der Nikolaikirche. Im Sommer 1988 beschließt die Kirchenleitung, einige oppositionelle Gruppen von der Gestaltung der Friedensgebete auszuschließen. Rainer Müller verteilt daraufhin Tücher mit der Aufschrift „Redeverbot“, die sich einige vor den Mund binden. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Arbeitskreises Gerechtigkeit machen sie den Kirchenvorplatz zu ihrem Podium, verlesen Informationen und kündigen Veranstaltungen an.
Als es am 7. und 8. Oktober 1989 zu brutalen und erniedrigenden Übergriffen auf festgenommene Demonstranten kommt, verfasst Rainer Müller zusammen mit anderen einen Aufruf gegen Gewalt: „Reagiert auf Friedfertigkeit nicht mit Gewalt! Wir sind ein Volk!“, den sie auf etwa 20.000 Flugblättern verteilen. Nachdem am 9. Oktober 1989 die Montagsdemonstration in Leipzig mit rund 70.000 Teilnehmern friedlich verläuft, wissen sie: Es ist geschafft. Die Regierung muss der Forderung nach demokratischen Reformen nachgeben.
Biografische Angaben zu Rainer Müller finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Rainer Müller“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145500
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Groß geworden bin ich in einer Industriegegend südlich von Leipzig, die geprägt war vom Braunkohletagebau – es gab riesige Braunkohletagebaue bis zu 90 Meter tief. Die geprägt war von Chemiefabriken, die die Umwelt und die Flüsse zerstörte und vergiftete, von Großkraftwerken mit Abgasen und Schmutz, der vom Himmel fiel. Im Winter war der Schnee grau. Auch wenn es nur wenige Stunden schneite: Der Schnee war grau. Wenn ich Freunde besuchte und aus meinem Dorf mit dem Fahrrad die zehn Kilometer nach Borna fuhr, musste ich immer den Fahrradsattel abputzen. Er war körnig, oder es lag Asche drauf. In dieser traurigen Gegend bin ich groß geworden. Das war kein weiter Weg mehr: vom Erleben dieser Umweltzerstörung bis zum Aufbegehren gegen diese Zerstörung. Ich wollte mich für eine saubere Umwelt engagieren, für eine Erhaltung der Landschaft, der Natur. So kam es auch zum politischen Engagement.
Als ich später diese Aufnäher ´Schwerter zu Pflugscharen`, das Symbol der DDR-Friedensbewegung in den 1980er Jahren, getragen habe, hieß es ziemlich schnell, dass ich mit meiner schulischen Laufbahn nicht weitermachen darf. Ich wurde zum Schuldirektorium gerufen, da saßen mir sechs Damen und Herren gegenüber. In der Hand hatten sie ein Protokoll über ein Gespräch, das vorher schon mit mir geführt worden war. Das war über den Rat des Kreises, Abteilung Volksbildung, wieder zurück zur Schule gekommen. Die Schulleitung musste nun darauf hin wirken, dass ich diesen Aufnäher ´Schwerter zu Pflugscharen` nicht mehr in der Schule tragen würde. Und vor allen Dingen aufhören würde, ihn in der Schule weiter zu verteilen.
Rainer Müller, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de