Leipzig, Herbst 1987. Rainer Müller (21) engagiert sich in verschiedenen Umwelt-, Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Leipzig, zum Beispiel im Arbeitskreis Solidarische Kirche, in der Umweltgruppe Borna, der Arbeitsgruppe Menschenrechte um Pfarrer Wonneberger und im Arbeitskreis Gerechtigkeit, zu deren Sprechern er seit 1988 gehört. Er beteiligt sich am Olof-Palme-Friedensmarsch im September 1987 und am Pleiße-Gedenk-Umzug durch die Leipziger Innenstadt am 5. Juni 1988.
Nach den Verhaftungen im Zusammenhang mit der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration am 17. Januar 1988 in Ost-Berlin rufen Rainer Müller und andere Leipziger den Sonnabendskreis ins Leben. Dieser soll die Oppositionsgruppen in der ganzen DDR vernetzen und koordinieren. Im Vorfeld der Leipziger Luxemburg-Liebknecht-Demonstration im Januar 1989 wird Rainer Müller wegen geplanter oppositioneller Aktionen verhaftet.
Zusammen mit Uwe Schwabe demonstriert er zum Abschluss des Sächsischen Kirchentags im Juli 1989 mit einem Transparent, auf dem in chinesischen Schriftzeichen "Demokratie" steht, gegen das von der SED begrüßte Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking und für die Solidarität mit der chinesischen Demokratiebewegung.
Fester Termin der Leipziger Oppositionsgruppen ist das montägliche Friedensgebet in der Nikolaikirche. Im Sommer 1988 beschließt die Kirchenleitung, einige oppositionelle Gruppen von der Gestaltung der Friedensgebete auszuschließen. Rainer Müller verteilt daraufhin Tücher mit der Aufschrift „Redeverbot“, die sich einige vor den Mund binden. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Arbeitskreises Gerechtigkeit machen sie den Kirchenvorplatz zu ihrem Podium, verlesen Informationen und kündigen Veranstaltungen an.
Als es am 7. und 8. Oktober 1989 zu brutalen und erniedrigenden Übergriffen auf festgenommene Demonstranten kommt, verfasst Rainer Müller zusammen mit anderen einen Aufruf gegen Gewalt: „Reagiert auf Friedfertigkeit nicht mit Gewalt! Wir sind ein Volk!“, den sie auf etwa 20.000 Flugblättern verteilen. Nachdem am 9. Oktober 1989 die Montagsdemonstration in Leipzig mit rund 70.000 Teilnehmern friedlich verläuft, wissen sie: Es ist geschafft. Die Regierung muss der Forderung nach demokratischen Reformen nachgeben.
Biografische Angaben zu Rainer Müller finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Rainer Müller“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145500
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Auf diesem regelmäßigen Treffpunkt montags in der Nikolaikirche konnten immer wieder neue Leute dazu stoßen, und so wurden es immer mehr. Wir versuchten, jeden Montag eine Meldung in die Öffentlichkeit zu bekommen, über das, was in Leipzig geschah. Das heißt: ins West-Radio und -Fernsehen. Jedesmal, wenn der Staat eingriff, war das für uns eine Möglichkeit, eine aktuelle Meldung über die Nachrichtenagenturen dpa oder AP zu verbreiten.
Und so kamen immer mehr Leute zusammen. Im Frühjahr / Sommer '89 bestand in Ungarn schon die Möglichkeit, die Grenze zu überschreiten. Im September '89 war die ungarische Grenze nach West-Deutschland ganz offen. Man konnte aus der DDR zwar nicht mehr in die Tschechoslowakei und von dort nach Ungarn kommen, aber trotzdem kam Hoffnung auf Veränderung auf. Es herrschte eine Art Endzeitstimmung: Wer weiß, was das noch wird, vor diesem 40. Jahrestag?
40 Jahre DDR, da werden die nochmal schlimm reinknüppeln. Es war uns ziemlich klar, dass es nicht so weitergehen konnte. Es wird nach dem 7. Oktober anders werden in diesem Land. Einen großen Sieg haben wir am Abend des 9. Oktober gefeiert. Als die Demonstration noch im Gange war und die Parteiseite sich offen dazu verhalten hat: ´Jawoll, es gibt Demonstrationen, und wir werden uns für Veränderungen im Land einsetzen`. Da war klar: Wir haben es geschafft.
Rainer Müller, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de