Ost-Berlin, Frühjahr 1982. Als der Regimekritiker Robert Havemann am 9. April 1982 stirbt, geht der 18-jährige Peter Grimm zur von der Staatssicherheit massiv überwachten Beerdigung. Dort macht er Bekanntschaft mit Ralf Hirsch und Werner Fischer.
Das Ministerium für Staatssicherheit versucht, ihn anzuwerben, scheitert aber. So wird Peter Grimm nur neun Tage vor dem Abitur relegiert (= von der Schule verbannt, ausgeschlossen). Nach seinem Schulverweis muss er sich mit verschiedenen Gelegenheitsarbeiten durchschlagen, da ihm ohne geregelte Arbeit eine Verurteilung nach dem sogenannten „Asi-Paragrafen“ (§ 249) droht.
Weil er ohne Abitur die Universität nicht besuchen kann, liest und studiert Peter Grimm selbst und engagiert sich in Berliner Oppositionskreisen, die sich mit Menschenrechtsfragen auseinandersetzen. Auf seine Initiative hin gründet sich 1983 ein Friedenskreis in der Bekenntnisgemeinde Berlin-Treptow.
In einem „Brief zum Jahr der Jugend“ fordern verschiedene oppositionelle Gruppen 1985 unter anderem das Recht auf Bildung und freien Zugang zu Informationen sowie das Recht auf Versammlungs-, Reise- und Meinungsfreiheit.
Ein Menschenrechtsseminar, das im November 1985 in der Bekenntniskirche in Berlin-Treptow stattfinden soll, wird von der Leitung der Berlin-Brandenburgischen Evangelischen Kirche verboten. Aus der Vorbereitungsgruppe dieses Menschenrechtsseminars, deren Sprecher Wolfgang Templin, Peter Grimm und Ralf Hirsch sind, entsteht im März 1986 die Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM). Sie wird zu einer der wichtigsten Oppositionsgruppen der DDR.
Am 29. Juni 1986 erscheint die erste Ausgabe des illegalen grenzfalls, den Peter Grimm, Peter Rölle, Ralf Hirsch und Rainer Dietrich (inoffizieller Mitarbeiter „Cindy“) unter großen praktischen Schwierigkeiten herausgeben. Die Druckmaschine besorgt Roland Jahn, der die Oppositionellen von West-Berlin aus unterstützt, und auch die Druckerschwärze muss aus dem Westen herübergeschmuggelt werden.
Der grenzfall und die IFM sollen auch die Präsenz der Opposition in der DDR zeigen. Sie wollen jeden dazu auffordern, sich öffentlich zu Menschenrechtsfragen zu äußern. Dazu dienen verschiedene Aktionen, wie die am Flughafen Berlin-Schönefeld, wo sich Mitglieder demonstrativ festnehmen lassen, um gegen das Reiseverbot in der DDR zu protestieren. Dass die IFM bespitzelt wird, ist allen Aktivisten klar, durch ihre öffentlichen Auftritte sind sie jedoch relativ geschützt. Die Spitzel der Staatssicherheit können die Arbeit der Gruppe zwar be-, aber nicht verhindern.
Biografische Angaben zu Peter Grimm finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Peter Grimm“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145508
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Ich denke, es gab eine Zäsur, als ich sieben war. Meine von mir innig geliebten Großeltern, die eine Etage über uns wohnten und immer für mich greifbar waren, sind ausgereist. Plötzlich waren sie also nicht mehr da, man konnte sie nicht mehr besuchen. Der Kontakt war nur noch auf zwei Besuche im Jahr reduziert. Das war so ein Punkt, wo man als Siebenjähriger plötzlich diese Mauer zu spüren bekommt. Sonst ist einem das ja relativ egal. Da ist die Welt für einen Siebenjährigen noch groß genug. Da gab es die ersten Momente, in denen ich anfing, diese Unterwerfungsrituale nicht mehr mitzumachen.
Das war in der zehnten Klasse, als der Zwangsumtausch für Westbesucher erhöht wurde. Das sollten wir alle irgendwann in einer Stunde mit unserem Staatsbürgerkundelehrer gut finden. Da wurde der Reihe nach abgefragt, wie es so Ritual war. Jeder erklärte seine Zustimmung, und ich war der Dritte. Ich habe alles andere als meine Zustimmung erklärt und begründet, warum ich das absolut unsinnig, idiotisch und falsch finde. Damit habe ich dann eine Kettenreaktion ausgelöst. Dann haben sich auch andere getraut das zu tun. Ja, das waren die ersten Momente.
Wir hatten uns entschlossen: Wir suchen jetzt tatsächlich Kontakt zu Leuten, die gegen dieses System aufbegehren. Es ist schwierig gewesen, irgendwo Anlaufpartner zu finden – solche, von denen man sagt: Das ist Opposition. Für uns als Friedrichshagener lag der Name Havemann und Grünheide relativ nahe, das ist ja nicht so weit weg. Wenn man mal Ausflüge gemacht hatte, war man manchmal schon an den Grünheideder'schen Absperrungen vorbeigekommen. Irgendwann hatten wir uns also entschlossen: Wir fahren da mal hin und nehmen Kontakt auf. Das haben wir mit viel Zittern und Zagen die eine oder andere Woche herausgeschoben. Wir wussten gar nicht, dass Robert Havemann im Sterben liegt, und dann verstarb er.
Wir gingen erst zu dieser Beerdigung und dann, nach ein paar Wochen, dachten wir: Da kann man ja trotzdem mal hinfahren und sehen, ob man Kontakte knüpft. Das haben wir dann auch getan. Wir wurden da mit recht offenen Armen aufgenommen, und das war natürlich sehr schön. Daraus ergaben sich viele, viele weitere Kontakte. Ich denke, dass das eine Registrierung war: Aha, die suchen jetzt und finden intensive Kontakte zu den und den Leuten.
Das war der Zeitpunkt, an dem sich das nicht mehr deckeln ließ. Dass das nicht mehr nur der tolerierbare Aufmüpfige ist, sondern dass der offensichtlich in Kreise hinein will. Wenn der sich so da hingezogen fühlt, muss man ihn natürlich schon ganz anders betrachten.
Peter Grimm, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de