Die Berliner Universität untersteht nach Kriegsende formal nicht dem Berliner Magistrat, sondern der von der sowjetischen Besatzungsmacht eingesetzten Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung. Geleitet wird sie von dem Kommunisten Paul Wandel. Trotzdem kann die SED den Lehrbetrieb in der Vier-Sektoren-Stadt Berlin nicht sonderlich gut kontrollieren. Die Aufsicht ist komplizierter als an den anderen Hochschulen der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Im frei gewählten Studentenrat haben die Gegner der SED eine deutliche Mehrheit. Die Medien der Westsektoren, wie der RIAS, können relativ ungehindert über die Kritik an der SED berichten. Außerdem gibt es die freie Studentenzeitschrift Colloquium.
Spätestens am 16. April 1948 beginnt der offene Kampf um die Berliner Universität. Die drei Herausgeber des Colloquiums, die Studenten Otto Stolz, Otto Hess und der 22-jährige Joachim Schwarz, werden von der Universität verwiesen. Der Studentenrat protestiert gegen diesen willkürlichen Akt. Einige Tage später findet im Westteil der Stadt eine Protestveranstaltung statt: im ausgebombten Hotel Esplanade, das unmittelbar an der Grenze zum sowjetischen Sektor liegt. Die Zentralverwaltung droht, alle Demonstranten vom Studienbetrieb auszuschließen. Das Hotel füllt sich dennoch.
Unter dem Beifall der Anwesenden wird die Forderung nach einer neuen Universität laut. In den folgenden Wochen unterschreiben mehr als 2.000 Studenten einen Gründungsaufruf. Am 19. Juni 1948 konstituiert sich ein Gründungsauschuss für die Freie Universität (FU). Die Leitung übernimmt Ernst Reuter (SPD). Er ist der von der Stadtverordnetenversammlung 1947 gewählte Oberbürgermeister von Berlin. Allerdings ist er auf sowjetischen Druck von der Alliierten Kommandantur nicht bestätigt.
Fast zeitgleich verhängt die Sowjetunion eine Blockade über West-Berlin, indem sie alle Zufahrtswege sperrt. Die Inselstadt kann nur noch über eine amerikanische Luftbrücke versorgt werden. Es fehlt an Lebensmitteln, Strom und Heizmaterial. Trotz dieser angespannten Lage wird die FU mit tatkräftiger Hilfe der westlichen Schutzmächte schon am 4. Dezember 1948 gegründet. Die Einrichtungen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin-Dahlem bilden den Grundstock für die notwendigen Laboratorien, Bibliotheken und Vorlesungssäle.
Bereits zum Wintersemester 1948/49 beginnt an mehreren Fakultäten der Lehrbetrieb. Es gibt rund 5.000 Studienplatzbewerber, von denen nur 2.000 berücksichtigt werden können. Über 20 Prozent der Studierenden kommen aus dem sowjetischen Sektor Berlins und der SBZ. Viele von ihnen kommen von der Berliner Universität, die ab 1949 Humboldt-Universität heißt. Von den 30 Mitgliedern des 1947 frei gewählten Studentenrats wechseln 25 zur FU.
Zitierempfehlung: „Gründung der Freien Universität Berlin“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Oktober 2018, www.jugendopposition.de/145428
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Sprecher (off): „Die ersten Bücher kamen, und so wurde es langsam der Anfang einer Universität. Wir hatten es nicht leicht, denn gerade in diesen Tagen begann die Berliner Blockade. Aber nicht nur Möbel, auch Professoren kamen – aus der Ostzone, wenn sie Glück hatten – mit Kind und Kegel und ihrem gesamten Inventar. Bei anderen aber musste die Abreise so plötzlich bei Nacht und Nebel vor sich gehen, dass sie bis auf die wertvollsten Bücher alles stehen lassen mussten. Das Haus füllte sich mit Studenten. Wir standen vor dem Schwarzen Brett mit den Vorlesungsverzeichnissen. Wir drängten uns in dem Immatrikulationsbüro. Und die Professoren hielten ihre ersten Vorlesungen – oft bei Kerzenlicht, denn abends war Stromsperre. Mitschreiben konnten wir kaum, dafür war es zu dunkel. Wir hatten auch noch nicht genügend Bänke und zogen mit unseren Stühlen von Vorlesung zu Vorlesung, denn wir waren froh, überhaupt studieren zu können. Aber es fehlte uns – und fehlt noch heute – an vielem, trotz der Hilfe von außen, trotz der Unterstützung und Spenden. Im Anfang aber ist der Wille zum Lernen, die Möglichkeit der Forschung wichtiger als die Vollkommenheit der Mittel. Auch wenn die Theaterwissenschaftler auf dem Dachboden üben mussten und auch wenn der Philosoph in einem Theater zwischen Dekorationen dozierte und wenn wir mit der Straßenbahn durch halb Berlin fahren mussten, um sehr beengt in einer Bibliothek medizinische Vorlesungen zu hören.“
Quelle: Universitätsarchiv der Freien Universität Berlin, „Eine freie Universität“ von Wolfgang Kiepenheuer von 1949