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Dresden und die Gruppe Wolfspelz

Jahre vor dem Wiederaufbau: Die Ruine der Frauenkirche in Dresden zu Beginn der 1980er Jahre. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Jahre vor dem Wiederaufbau: Die Ruine der Frauenkirche in Dresden zu Beginn der 1980er Jahre. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Unerschrocken, friedensbewegt und optimistisch: Johanna Kalex, ehemals Anette Ebischbach, Mitte der 1980er Jahre. Quelle: Privatarchiv Johanna Kalex
Unerschrocken, friedensbewegt und optimistisch: Johanna Kalex, ehemals Anette Ebischbach, Mitte der 1980er Jahre. Quelle: Privatarchiv Johanna Kalex
Aufruf von Johanna Kalex zur Demonstration am 13. Februar 1982 an der Ruine der Dresdner Frauenkirche. Quelle: Privatarchiv Johanna Kalex
Aufruf von Johanna Kalex zur Demonstration am 13. Februar 1982 an der Ruine der Dresdner Frauenkirche. Quelle: Privatarchiv Johanna Kalex
Abschrift
Fast 8.000 Menschen finden sich am 13. Februar 1982 gegen Mitternacht vor der Dresdner Frauenkirche ein. Mit einem Teppich aus Kerzen und mit dem Lied "We shall overcome“ erinnern Sie an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. Die Staatssicherheit...
Fast 8.000 Menschen finden sich am 13. Februar 1982 gegen Mitternacht vor der Dresdner Frauenkirche ein. Mit einem Teppich aus Kerzen und mit dem Lied "We shall overcome“ erinnern Sie an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. Die Staatssicherheit greift nicht ein, denn auch Vertreter der Westpresse sind vor Ort und schießen Bilder wie dieses. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Peter Wensierski/RHG_Fo_HAB_18173
Johanna Kalex im Sommer 1982 im Freundeskreis von Thomas Kantschew (hier sein 18. Geburtstag) an den Moritzburger Teichen, wo auch schon die Brücke-Künstler mit ihrem Nackbaden um 1905 ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit genossen. Quelle: Privatarchiv...
Johanna Kalex im Sommer 1982 im Freundeskreis von Thomas Kantschew (hier sein 18. Geburtstag) an den Moritzburger Teichen, wo auch schon die Brücke-Künstler mit ihrem Nackbaden um 1905 ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit genossen. Quelle: Privatarchiv Thomas Kantschew
Mitglieder der Gruppe Wolfspelz nehmen im Mai 1983 an einem Friedensseminar in Meißen teil. In der Bildmitte Johanna Kalex, rechts neben ihr Katrin Schaller 2. v. l. Roman Kalex. Quelle: Privatarchiv Johanna Kalex
Mitglieder der Gruppe Wolfspelz nehmen im Mai 1983 an einem Friedensseminar in Meißen teil. In der Bildmitte Johanna Kalex, rechts neben ihr Katrin Schaller 2. v. l. Roman Kalex. Quelle: Privatarchiv Johanna Kalex
Roman und Johanna Kalex in der Adolfstr. 9 in Dresden. In dem Fenster im Hintergrund installiert das MfS eine Infrarotkamera, um die Besucher der Familie Kalex zu observieren. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Roman und Johanna Kalex in der Adolfstr. 9 in Dresden. In dem Fenster im Hintergrund installiert das MfS eine Infrarotkamera, um die Besucher der Familie Kalex zu observieren. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Die Gruppe Wolfspelz nach einem Ernteeinsatz. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Die Gruppe Wolfspelz nach einem Ernteeinsatz. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Die Oppositionsgruppe Wolfspelz um die Dresdnerin Johanna Ebischbach (später Johanna Kalex) gehört zweifellos zu den ungewöhnlichsten Friedensgruppen, die Anfang der 1980er Jahre in der DDR entstehen.

Johanna Ebischbach, die Tochter eines Lehrers und Fachberaters, beginnt 1981 mit 17 Jahren ein pädagogisches Fachschulstudium. Schon in dieser Zeit hat sie erste Kontakte zur Jungen Gemeinde (JG) der Dreikönigskirche. Dort erhält sie Materialien über die Idee eines Sozialen Friedensdienstes (SoFD). Dieser soll als Wehrersatzdienst eingerichtet werden, fordert die Friedensbewegung in der DDR.

Schafe im Wolfspelz oder Wölfe im Schafspelz?

Als Johanna Ebischbach die an den Bildungseinrichtungen der DDR obligatorische Vormilitärische Ausbildung verweigert, wird sie exmatrikuliert. Sie beginnt an der medizinischen Fachschule für Pflegekräfte eine Ausbildung zur Krankenschwester. Die junge, aufmüpfige Johanna verteilt an der Schule häufig Material der unabhängigen DDR-Friedensbewegung und verweigert auch hier die vormilitärische Ausbildung. Und nicht nur das. Es gelingt ihr, fast alle Mitschülerinnen zu einer schriftlichen Verweigerung des anstehenden Wehrlagers zu bewegen. Nach Einzelgesprächen mit der Schulleitung und Mitarbeitern der Staatssicherheit bleiben nur Johanna Ebischbach und eine Mitschülerin bei ihrer Verweigerung. Beide werden wegen „Nichterfüllung schulischer Pflichten“ exmatrikuliert.

Danach werden ihre Kontakte zur Friedensbewegung intensiver – unter anderem auch zum Initiator der Kampagne „Schwerter zu Pflugscharen“, Pfarrer Harald Bretschneider. In der Zwischenzeit heiratet Johanna Ebischbach ein anderes Mitglied der Friedensgruppe, Roman Kalex.

Die „Gruppe Ebischbach“, wie sie anfangs von der Stasi genannt wird, steht nicht nur im Konflikt mit dem Staat, sondern auch mit der Kirche. Die Aktivisten werfen den Kirchenleuten deren allzu große Kompromissbereitschaft gegenüber dem SED-Regime vor. Sie organisieren eigenständig Friedenswerkstätten und propagieren radikale pazifistische Positionen, die sich kaum mit der moderaten kirchlichen Friedensarbeit vertragen. Nachdem Bischof Johannes Hempel die Aktivisten um Johanna Kalex als „Wölfe im Schafspelz“ bezeichnet hat, nennt sich die Gruppe fortan Wolfspelz. Laut Johanna Kalex sind sie nämlich eher „Schafe im Wolfspelz“, die gefährlich auftreten, aber eine friedliche Gesellschaft zum Ziel haben.

Eine spektakuläre Aktion der Gruppe um Johanna Kalex ist die Organisation einer Gedenkfeier in Dresden am 13. Februar 1982, dem Jahrestag der Bombardierung der Stadt. In der Stunde des ersten Bombenangriffs von 1945, also kurz vor 22 Uhr, sollen sich die Menschen mit Kerzen und Blumen an der Ruine der Frauenkirche versammeln und „We Shall Overcome“ singen. Mit dieser Aktion wollen die jungen Leute gegen die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft protestieren. (Über die Aktivitäten der Gruppe, den Aufruf und die Folgen berichtet Johanna Kalex im Zeitzeugen-Interview.)

Top organisiert: Der Schweigemarsch zur Dresdner Frauenkirche

Der Staat ist äußerst beunruhigt. Ohnehin ist die Situation angespannt: Es hat sich eine starke Schwerter-zu-Pflugscharen-Bewegung entwickelt, und landesweit fordern Friedensgruppen die Einführung eines Sozialen Friedensdienstes. Man befürchtet zu Recht, dass viele Menschen dem Aufruf nach Dresden folgen werden. Johanna Kalex wird verhaftet, verhört und körperlich massiv bedroht. Doch ihre Eltern und die Kirche stehen zu ihr und wenden Schlimmeres ab.

Um die Menschen von der Demonstration auf der Straße abzulenken, öffnet die Kirchenleitung am 13. Februar die Dresdner Kreuzkirche zu einem Friedensforum. Doch die Demo wird ein voller Erfolg: Fast 8.000 Menschen aus der ganzen DDR pilgern in dieser Nacht erst ins Friedensforum in der Kreuzkirche und dann zur Dresdner Frauenkirche. Dort stellen sie Kerzen auf und legen Blumen nieder. Selbst die Westpresse ist vor Ort. Der Schweigemarsch ist eine der größten Aktionen der Friedensbewegung in der DDR.

Zitierempfehlung: „Dresden und die Gruppe Wolfspelz“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145413

 


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Angeregt durch ein Vorbild aus Polen ruft Johanna Kalex mit siebzehn Jahren zu einer Friedensdemonstration an der Ruine der Dresdner Frauenkirche auf. Weiter...

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