Abschrift
Ich bin in einem Jugendclub überfallen, zusammengeschlagen worden und im Anschluss nicht ins Krankenhaus, sondern von der Polizei in Untersuchungshaft gebracht worden. Ich war schwer verletzt. Ich bin schneller im Gefängnis gewesen, als mir das überhaupt klar war. Ich habe das nicht verstehen können, weil ich eigentlich ein Opfer war und kein Täter. In der Zeit, in der ich da im Gefängnis war, hat sich bei mir extrem was verändert. Da habe ich eine Wut gekriegt – auf dieses ganze System. Das konnte ich für mich nicht so stehen lassen. Da habe ich im Grunde genommen auf den Tag gewartet, an dem ich das heimzahlen konnte.
Es sind in der damaligen Zeit sehr, sehr viele junge Leute wegen Nichtigkeiten im Gefängnis gewesen. Im Gefängnis selber war es sehr auffällig, wie viele junge Leute da eigentlich verhaftet waren. Die konnten nun unmöglich alle Kriminelle sein. Da war am Staatsmodell irgendwas falsch, wenn so viele junge Menschen auf die schiefe Bahn kamen. Aber die Leute, die ich da kennen gelernt habe, das waren ja keine Diebe oder Halbkriminelle. Das waren Leute wie ich, die mit der Polizei aneckten oder in Schwierigkeiten gerieten. Es war kein krimineller Hintergrund zu entdecken. Das heißt, dass viele Leute, die nicht so ganz staatskonform lebten, sehr schnell in den Fokus der Staatssicherheit gerieten. Meist, sobald sie die Pubertät verlassen hatten, mit 18, 19 Jahren. Wer hatte das eigentlich zu verantworten? Aber am Ende ging es ja auch um Erziehung. So nannte man das, glaube ich.
Diese Erziehung, die wurde nicht nur an mir vollzogen, sondern auch an vielen anderen Leuten. Wenn das so gewesen ist, dann sind die Gründe, wie man junge Leute mal eben ins Gefängnis bringt, relativ beliebig gewesen. Es gab da so ein paar Paragraphen, die für alles Mögliche hergehalten haben – und die immer wieder in den Urteilen der Leute auftauchten, die damals im Gefängnis waren.
Aram Radomski, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de