Abschrift
Die DDR war ja ringsherum zu. Wir konnten bis '61 noch die Großmutter in West-Berlin besuchen. Bis dann da dicht war. Aus unserem Küchenfenster in Frankfurt haben wir über die Oder nach Polen geguckt, und es war zu. In den 60er Jahren hat sich dann gar nichts bewegt, und eigentlich war keine Grenze. Ab '62, '63 gab's irgendwie Reiseverkehr. Da ist mein Vater mal mit einer Reisegruppe von der Handwerkskammer nach Prag gefahren. Er hat bei der Gelegenheit Kontakte zum tschechischen Pfarrer geknüpft, zur tschechischen Kirche – zur evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder. Das ist eine Kirche, die der evangelischen Kirche in der DDR ähnlich gewesen ist. Die evangelische Kirche gab's natürlich auch – überall noch ein paar andere. Irgendwie war da eine Freundschaft entstanden zu einem Pfarrer in Mähren. Meine Eltern sind nach Mähren gefahren, in diese Kleinstadt Miroslav, haben den Pfarrer da besucht und die Gemeinde kennen gelernt.
Sie kamen glücklich wieder und sagten: Die fahren da mit der Jungen Gemeinde immer in den Wald, im Sommer – zur Waldbrigade, das war der Name. Letztlich war's aus dem Zwang heraus: Die Junge Gemeinde durfte dort in der Tschechoslowakei gar nichts unternehmen, nicht als Junge Gemeinde irgendwo hinfahren. Da hatten die mit dem Förster angeknüpft und waren offiziell als Hilfstruppe im Wald und haben das getan, was man als Gruppe zusammen tut. Die haben da zusammen gelebt, die zwei Wochen. Ja, und das klang eben gut, und meine Eltern sagten: Das wäre doch was, und die laden euch auch ein, wollt ihr – meine ältere Schwester und ich – wollt ihr da nicht mal mitfahren?. Das war '65, ich war 13 und sie 15. Und auf die Art sind wir '65 das erste Mal in die Tschechoslowakei gefahren.
Hildegart Becker, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de