Abschrift
Also, das Schlimmste war ja eigentlich die Trennung von meinen Kindern, die damals noch sehr klein waren. Und ich wusste, das ist schwierig für meinen Mann, der arbeitete ja in drei Schichten, das ging eigentlich gar nicht. Ich erfuhr auch, dass zwei Tage nach meiner Verhaftung der Kinderladen aufgelöst wurde durch die Staatssicherheit. Wir hatten einen eigenen Kinderladen, den einzigen, den es in der DDR gab. Und der ist eines Morgens geräumt worden, alles Spielzeug auf einen Lkw geladen, alle Möbel, und dann ist das Schaufester zugemauert worden, dass nur noch so ein kleines Fester übrig blieb. Mein Mann wusste erst gar nicht, wo er die Kinder hinbringen sollte. Und diese schwierige Situation bekam ich dann mit. Das beunruhigte mich natürlich sehr. Ich hatte mir aber vorgenommen, keinem Ausreiseantrag zuzustimmen. Ich hatte schon damit gerechnet, dass sie mir so was anbieten, weil sie einfach den Protest nicht wollten und weil es immer das Einfachste für den Staat war, die Leute schnellstmöglich in den Westen abzuschieben. Ich hatte mir vorgenommen, erst so einem Antrag möglicherweise nach einem Prozess zuzustimmen. Und in einem Brief an meinen Mann hatte ich dann geschrieben, wenn wir uns dafür entscheiden sollten, die Himmelsrichtung zu ändern, dann nur außerhalb des Druckes, dann nur in Freiheit. So eine Entscheidung kann man nur in Freiheit fällen. Ich wollte damit den mitlesenden Stasi-Leuten signalisieren, dass sie mich nicht in den Westen kriegen, solange ich in Haft bin. Aber wenn sie mich freilassen, dann sei das eine Eventualität.
Jedenfalls ist es nicht zum Prozess gekommen, sondern wir kamen dann sehr überraschend nach sechs Wochen schon wieder frei. Am 24. Januar 1984 wurden wir morgens aus der Zelle geholt, einer Staatsanwältin vorgeführt, die uns dann einen Paragrafen vorlas, nach dem wir also wieder entlassen werden. Die Frauengruppe oder auch alle unsere Freunde haben das als einen riesigen Erfolg gewertet. Plötzlich war dadurch sichtbar geworden, dass die Macht des Staates nicht unendlich ist und dass wir auch ein Stück weit Macht haben können, wenn wir zusammenhalten und wenn wir in die Öffentlichkeit gehen. Wenn die Öffentlichkeit protestiert, dann können wir schon auch auf die Staatsorgane Druck ausüben. Das ist ja in diesem Falle sehr gut gelaufen und hat sich bewährt. Und von da an wussten wir: Der beste Schutz ist die Öffentlichkeit.
Ulrike Poppe auf www.jugendopposition.de
Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft