Abschrift
Es klopfte an die Tür. Es standen einige Herren davor und sagten, dass ich jetzt mitkommen soll. Sie machten eine Hausdurchsuchung und nahmen alles mit. Ich muss sagen, wir waren in Jena überhaupt nicht darauf vorbereitet. Wir wussten zwar, dass es die Stasi gab, hatten aber keine konkreten Erfahrungen. Wir haben uns überhaupt nicht abgesprochen, was wir in den Verhören sagen. Ich hatte meinen Haftbefehl schon unterschrieben, und zwar wegen Beihilfe zu einer staatsfeindlichen Handlung oder so ähnlich. Ich kann mir denken, dass die Kirche sich sehr eingesetzt hat, für die verhafteten Theologen und Theologiestudenten und dass das sicher ein Schutz war. Ich war ja damals noch Theologiestudentin. Sie haben sich überlegt: Besser sie lassen mich wieder raus, als Konflikte mit der Kirche anzubahnen.
Wir hatten das große Glück, dass es dieses ´Schutzkomitee Freiheit und Sozialismus` gab. Die hatten sich im Herbst '76 gegründet, auch als Reaktion auf eine CSU-Parole, die damals gerade im Umlauf war. Die hieß nämlich: ´Freiheit oder Sozialismus`. Als Initiatoren waren das Hannes Schwenger, Manfred Wilke und Magret Frosch. Die haben weltweit Unterschriften gegen diese Verhaftung gesammelt – zum Beispiel von Romy Schneider und Yves Montand, von Max Frisch, Dürrenmatt und von diesem Eurokommunisten. Ich glaube, das war auch der Punkt für die DDR, dass sie auf Prozesse verzichtet hat, weil sie sich sonst blamiert hätte.
Ich habe aus West-Berlin gehört, dass es immer schwierig gewesen sei, Kontakt nach Jena aufzunehmen, weil Jena völlig in der Hand der Stasi war. Jeder war überwacht. Auch vor meinem Haus stand das ganze Jahr über immer irgendein Stasi-Mann. Lilo Fuchs war auch immer von drei oder vier Stasi-Leuten umgeben, wenn die aus Grünheide am Wochenende zu ihrer Familie und ihrer kleinen Tochter gefahren ist. Man konnte sich gar nicht austauschen. Wir haben uns auf dem Marktplatz getroffen und ein bisschen miteinander geredet, und schon stand immer ein Pulk von Stasi-Leuten drumherum.
Doris Liebermann, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de