Abschrift
Ich habe mit meinen Freunden zusammen die legendäre Fernsehsendung gesehen, wo das Konzert, das zur Ausbürgerung geführt hat, übertragen wurde. Das war schon ein Schock. Es war ein Schock, dass er [Wolf Biermann] jetzt weg ist. Auf der anderen Seite war die Übertragung des Konzerts noch einmal so ein Gefühl, dass er das gesungen hat, was man denkt und fühlt. Ich habe dann Protestresolutionen unterschrieben, die an die DDR-Führung gingen, und ich habe bei mir an der Universität darüber diskutieren wollen. Ich habe im Seminar für Marxismus / Leninismus – oder wie das damals hieß – gesagt: ´Wir müssen hierüber diskutieren. Was hier stattfindet, das schadet der DDR`.
Die Konsequenz war, dass man diese Diskussionen um Biermann zum Anlass genommen hat, mich von der Universität zu schmeißen. Die gesamte Seminargruppe wurde ohne mich zusammengeholt, und man hat sie unter Druck gesetzt. Man hat gesagt, solche Leute wie Jahn, die hier die Position von Biermann vertreten, die kann man nicht mehr dulden an dieser Universität. Gerade, wenn sie Wirtschaftswissenschaften studieren. Gerade solche Leute dürfen nicht irgendwann mal leitende Funktionen übernehmen, in unseren Staatsbetrieben zum Beispiel. Und solche Leute müssen von der Uni. Man hat die Seminargruppe gebeten, dafür zu sorgen, dass ich von der Uni fliege. Jemand hat zur Seminargruppe gesagt: ´So müsst ihr den Antrag stellen, dass er ausgeschlossen wird`.
Die Seminargruppe hat es getan. Die Ausbürgerung Biermanns, die wie in meinem Fall nicht nur mit dem Rausschmiss von der Uni endete, wie, sondern auch mit Verhaftungen von Freunden, hat den Ernst der Lage nochmal verdeutlicht. Es war kein Spaß mehr. Es wurden Leute eingesperrt. Wir haben im Knast gelitten. Und das hat schon sehr betroffen gemacht. Jetzt waren die Fronten klar zwischen der Staatsmacht und uns.
Roland Jahn, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de