Abschrift
Sprecher (off):
„Als ich das erste Mal dort war an der Zonengrenze, 1950, war ich enttäuscht. Dieser mickrige Stacheldraht, der eher einem simplen Weidezaun glich, sollte die Demarkationslinie zwischen Ost und West sein, Grenze zwischen zwei Welten? Aber dann plötzlich, Ende Mai 1952, geschah hier Sonderbares. Da pflügten und eggten Grenzpolizisten unmittelbar an der Demarkationslinie einen zehn Meter breiten Streifen von der Ostsee bis an die Tschechoslowakei. Und zugleich tauchten in grenznahen Orten mehr und mehr Grenzpolizisten auf, meist zu zweit als Grenzstreifen. Wir haben hier mit unseren Kameras ihre Aufmerksamkeit erregt, dabei sollten sie in erster Linie die eigene Grenzbevölkerung beobachten und jeden Fluchtversuch vereiteln.
Das Dorf ist in Aufruhr. Vergangene Nacht hat man die Bewohner der unteren Mühle abgeholt, zwangsevakuiert – wohin, weiß niemand. Und jetzt steht dort ein Schützenpanzer. Drei Tage zuvor war im Neuen Deutschland noch zu lesen: Wie von wohlunterrichteter Seite bekannt ist, ist keinerlei Aussiedlung aus dem Grenzstreifen beabsichtigt.` Jetzt verlädt man die letzten Habseligkeiten der verschleppten Müllersleut.
Aus dem Grenzgebiet Ausgewiesene dürfen nie mehr, selbst besuchsweise nicht, wieder in ihren Heimatort zurückkommen. Für die Ausweisung genügte schon, wenn man als unzuverlässige Person` denunziert wird. Ende Mai/Anfang Juni 1952 gab es etwa 8.000 solcher unzuverlässiger Personen`. 3.000 von ihnen gelang noch, oft in letzter Minute, die Flucht in die Bundesrepublik.
Leer stehende Häuser an der Grenze werden abgerissen. Sie könnten Agenten, Diversanten, Spionen aus dem kapitalistischen Westen als Unterschlupf dienen, so die Argumentation in den DDR-Zeitungen. Bei der Grenzpolizei weiß man es besser: Sicht- und Schussfeld müssen geschaffen werden, wenn man Fliehender noch auf den letzten Metern habhaft werden will.“
Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, F.J. Schreiber „Halt! Zonengrenze“