Totalverweigerer
Am 8. März 1977 schreibt der 24-jährige Betriebsschlosser Detlef Pump einen Brief an das Wehrkreiskommando Jena: „Hiermit erkläre ich, [...] den Wehrdienst aus humanistischen Gründen mit und ohne Waffe zu verweigern.“ Seine Motive sind rein politisch, und das teilt er der Wehrbehörde mit. Das ist für die Staatsmacht eine ungeheuerliche Provokation. Seit 1964 gestattet der Staat zwar den waffenlosen Wehrdienst als Bausoldat, nicht aber die gänzliche Verweigerung des Wehrdienstes. Eine Haltung, wie sie Detlef Pump hat, wird in der DDR als kriminell verfolgt und kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.
Sogenannte Totalverweigerer wie Pump gibt es in der DDR seit der Einführung der Wehrpflicht im Januar 1962. Bis 1989 verweigern ungefähr 6.000 Wehrpflichtige den Dienst völlig. Insgesamt werden 3.144 Personen verurteilt. Viele von ihnen sind Zeugen Jehovas oder Angehörige anderer Glaubensrichtungen.
Totalverweigerung in der DDR: Provokation und Verbrechen
In den 1970er Jahren verweigern immer mehr Männer aus dem Umfeld der Friedensbewegung den Dienst in der Armee. Hinzu kommen solche, die bereits einen Ausreiseantrag gestellt haben. Viele hoffen, so schneller in den Westen zu kommen. Der Staat schwankt ständig zwischen Strenge und Zurückhaltung: Auf der einen Seite fürchtet man bei zu viel Nachsicht einen Nachahmungseffekt, auf der anderen Seite muss man sich mit der fortwährenden Einmischung von Kirchenleuten auseinandersetzen, die um Haftentlassung von Totalverweigerern bitten.
Die Gefängnisstrafen für Kriegsdienstgegner schaden dem internationalem Ruf der DDR. Trägt der Staat doch die Friedenstaube als Symbol vor sich her – und wird nicht müde, gegen den Militarismus in der Bundesrepublik zu polemisieren.
Doch im Fall Detlef Pump entscheidet sich die SED für die harte Linie. Er wird am 4. Mai 1978 an seinem Arbeitsplatz bei Carl Zeiss Jena von der Staatssicherheit verhaftet. Das Militärgericht Erfurt verurteilt ihn zu zwei Jahren Haft. Der Jugendpfarrer Walter Schilling darf ihn in der Strafvollzugsanstalt Unterwellenborn besuchen. Er überbringt ihm Grüße seiner Freunde. Walter Schilling wird vom Ministerium für Staatssicherheit als Operativer Vorgang „Spinne“ geführt und überwacht. Der Pfarrer versucht seit Jahren – auch gegen Widerstände aus Kirchenkreisen – jenseits der staatlichen Strukturen eine freie Jugendarbeit zu organisieren. Dazu gehören auch Kreise von Totalverweigerern und Friedensgruppen.
Detlef Pump sieht in der DDR keine Zukunft mehr. In der Haftanstalt bekräftigt er seinen Ausreiseantrag, den er bereits im September 1977 gestellt hatte. Er wird jedoch 1979 im Zuge einer Amnestie in die DDR entlassen. Erst 1981 darf er das Land verlassen. Detlef Pump geht nach West-Berlin. Aufgrund des Alliiertenstatus werden Westberliner nicht zum Militär gezogen.
Zitierempfehlung: „Totalverweigerer“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Oktober 2018, www.jugendopposition.de/145449