Biografie Matthias Domaschk
Matthias Domaschk, geboren am 12. Juni 1957 in Görlitz, zieht 1970 zusammen mit seinen Eltern in das Neubauviertel Jena-Neulobeda. Sein Vater, Mitglied der SED, arbeitet in der Forschungsabteilung des VEB Carl Zeiss Jena, seine Mutter als Bibliothekshilfe in der Sektion Theologie der Jenaer Universität. Sie ist es, die gegen den Willen des Vaters Matthias` Konfirmation durchsetzt. So kommt er 1972 in die evangelische Junge Gemeinde (JG) in Altlobeda.
Matthias „Matz“ Domaschk ist bald eng in die Aktivitäten der JG eingebunden. Gemeinsam feiern sie, organisieren Lesungen, machen Ausflüge und diskutieren ganze Nächte hindurch, auch über den Frieden, den Staat und die Kirche. Der Vater sieht die kirchlichen Kontakte nicht gern, denn sie könnten der Karriere seines Sohnes schaden. 1974 beginnt Matthias Domaschk eine Feinmechanikerlehre mit Abitur.
Er ist ein „Diskutierer“ mit frühen kirchlichen Kontakten
Wie überall in der DDR kursieren auch im Bekanntenkreis von Matthias Domaschk Mitschnitte von Westmusik und interessante Bücher, die in der DDR nur in geringer Auflage verlegt werden. Zum Beispiel Jack Kerouacs „On the Road“, ein bedeutendes literarisches Manifest der Beatgeneration. In diesen Kreisen erfährt Matthias Domaschk das erste Mal von den Repressionen, die Menschen zu erleiden haben, wenn sie nicht den staatlich verordneten Lebensweg beschreiten wollen. Lange Haare, ein Jimi-Hendrix-T-Shirt oder ein Parka sind für den Staat deutliche Zeichen für einen fehlenden „sozialistischen Klassenstandpunkt“. Schon so etwas genügt, um Jugendliche zu schikanieren, auszugrenzen oder zu verhaften.
Kaum ist er 18, zieht Matthias Domaschk zu seiner Freundin Renate Groß, einer 24-jährigen Vikarin. Er wird nun aktives Mitglied der JG Jena-Stadtmitte. Hier hat der Jugenddiakon Thomas Auerbach seit Anfang der 1970er Jahre die Offene Arbeit etabliert, eine neue gesellschaftskritische Form selbst organisierter Jugendarbeit. Matz engagiert sich bei vielen Aktionen, Konzerten und Wochenendfahrten, zu denen Leute aus der ganzen DDR in Jena zusammenkommen.
Er ist ein „politisch Untergrundtätiger“
Im November 1976 gehört Matthias Domaschk zu den Oppositionellen, die den Offenen Brief der prominenten Schriftsteller und Künstler gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns unterschreiben und aktiv weitere Unterschriften sammeln. In den Augen der Stasi gehört er nun zu den PUT, den „politisch Untergrundtätigen“. Er wird das erste Mal verhaftet, seine Wohnung durchsucht. Einige seiner Freunde werden zu Gefängnisstrafen verurteilt. In dieser unruhigen und bedrückenden Zeit wird im Dezember 1976 seine Tochter Julia geboren.
Kurz vor den mündlichen Abiturprüfungen im Mai 1977 wird Matz aus der Schule geworfen. Der Grund: seine Unterschrift gegen die Biermann-Ausbürgerung. Zur „Bewährung“ wird er in die Produktion geschickt, und sein Vater macht ihm Vorwürfe. Doch Matthias Domaschk lässt sich nicht unterkriegen. Zusammen mit anderen sammelt er Geld für die inhaftierten Freunde. Über einen Freund bekommt er Kontakt zum Schutzkomitee Freiheit und Sozialismus in West-Berlin, das seine Bemühungen zur Solidarität mit den Eingesperrten unterstützt.
Im September 1977 werden sieben von Matthias Domaschks engen Freunden aus der Haft in den Westen abgeschoben. Frauen und Kinder folgen. In die DDR dürfen sie nicht mehr einreisen, Kontakte per Telefon und Post werden streng überwacht. Unterdessen sammelt die Stasi weiter belastende Informationen über Matthias Domaschk. Sie protokolliert unter anderem seine Verbindungen zum Schutzkomitee und seine Kontakte zum polnischen Menschenrechtskomitee KOR.
Im November 1977 wird Matthias Domaschk zur Nationalen Volksarmee einberufen. Er will aber keinen Wehrdienst leisten. Den Gedanken an Totalverweigerung verwirft er, sonst drohen ihm Gefängnis oder weitere Repressalien. Der Bausoldatendienst erscheint ihm nicht als Alternative. Bis April 1979 dient er bei der Fahne.
Ihm fehlt der „sozialistische Klassenstandpunkt“
Als er nach Jena zurückkommt, trennt er sich von Renate Groß, die 1980 mit der gemeinsamen Tochter Julia in den Westen geht, und zieht mit seiner neuen Freundin Kerstin Hergert zusammen. Obwohl sie erst 18 Jahre alt ist, ist sie selbst schon in Konflikt mit dem Staat geraten. Der Vorwurf: „asoziale Lebensweise“. Mithilfe des sogenannten Asozialen-Paragraphen versucht der Staat, unangepasste Lebensweisen zu bestrafen. Kerstin Hergert ist ein paar Mal zu spät zur Schicht erschienen und hat in ihrer Wohnung gefeiert. Das reicht in der DDR, um für ein Jahr ins Gefängnis geschickt zu werden.
Matz Domaschk ist weiterhin in der JG aktiv, organisiert Lesekreise, verbreitet Samisdat-Literatur. Zusammen mit seinem Freund Peter Rösch fährt er zu Konzerten und zu Freunden durch die ganze DDR. Kurz vor einer Fahrt nach Berlin verabredet er sich noch mit Renate Groß. Er will sie in der Tschechoslowakei treffen und seine Tochter Julia wiedersehen. Einige Wochen später will er Kerstin Hergert heiraten. Doch es kommt alles anders.
Matthias Domaschk wird verhaftet und stirbt unter bislang ungeklärten Umständen am 12. April 1981 in der Stasi-U-Haftanstalt Gera.
Zitierempfehlung: „Biografie Matthias Domaschk“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Oktober 2017, www.jugendopposition.de/145407