Gesamtverteilung der Demonstrationen von August 1989 bis April 1990. Quelle: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Projektgruppe Leipzig
Rostocker Aktivitäten: Bericht über die Fürbittandachten und Demonstrationen im Oktober 1989. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft (BStU-Kopie) Abschrift
Drohkulisse: 700 Menschen demonstrieren am 7. Oktober 1989 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), nachdem eine Veranstaltung, auf der Theaterangestellte oppositionelle Texte lesen wollten, verboten worden ist. Die Demonstration wird gewaltsam aufgelöst. Quelle: BStU, MfS, Ast. Chemnitz, Abt. XX, Nr. 2734, Fo. 53
Mit Helmen, Schlagstöcken und Schilden ausgerüstete Polizisten gehen am 7. Oktober 1989 gegen friedliche Demonstranten in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) vor. Quelle: BStU, MfS, Ast. Chemnitz, Abt. XX, Nr. 2734, Fo. 3
Solche Bilder kennen die DDR-Bürger bis dahin nur aus dem Westfernsehen: Mit Helmen, Schlagstöcken und Schilden ausgerüstete Polizisten gehen am 7. Oktober 1989 gegen friedliche Demonstranten in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) vor. Quelle: BStU, MfS, Ast. Chemnitz, Abt. XX, Nr. 2734, Fo. 6
Solche Bilder kennen die DDR-Bürger bis dahin nur aus dem Westfernsehen: Mit Helmen, Schlagstöcken und Schilden ausgerüstete Polizisten gehen am 7. Oktober 1989 gegen friedliche Demonstranten in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) vor. Quelle: BStU, MfS, Ast. Chemnitz, Abt. XX, Nr. 2734, Fo. 65
„Dialog statt Gewalt“: Reaktion auf die staatliche Brutalität gegen friedliche Demonstranten am 7. Oktober 1989 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz). Quelle: BStU, MfS, Ast. Chemnitz, Abt. XX, Nr. 2734, Fo. 75
In Dresden versammeln sich am 26. Oktober 1989 100.000 Menschen auf der "Cockerwiese" und verlangen von der Parteifürung des Bezirks die Antworten auf ihre Fragen. Hans Modrow, der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden muss sich den Fragen der Bürger stellen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Andreas Kämper
„Neues Forum zulassen!“ Nach einer Demo durch die Innenstadt von Rostock versammeln sich am 29. Oktober circa 2.000 Bürger vor dem Rathaus und führen einen Dialog mit dem Oberbürgermeister. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Bericht über eine Demonstration in Halle/Saale am 9. Oktober 1989, auf der die Polizei gewaltsam gegen Demonstranten und Schaulustige vorgegangen ist. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft Abschrift
Am 11. November 1989 demonstrieren die Bürger von Fürstenwalde „Für demokratische Erneuerung“ und „Volksentscheid“. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Während einer Demonstration durch die Rostocker innenstadt am 9. November 1989 ziehen die Demonstranten zur Bezirksverwaltung der Staatssicherheit und stellen dort Kerzen ab. BStU, MfS, BV Rostock, Abt XX 0615, Bl. 19
Der mit Kerzen übersähte Eingangsbereich der Bezirksverwaltung der Staatssicherheit in Rostock. Quelle: BStU, MfS, BV Rostock, Abt. XX/1534; Bl- 6, Bld. 1
Dresdner Künstler initiieren eine Demonstration für eine neue Verfassung. Die Demonstration endet mit einer Kundgebung auf dem Theaterplatz, an der rund 50.000 Demonstranten teilnehmen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Andreas Kämper
Dresdner Künstler initiieren eine Demonstration für eine neue Verfassung. Die Demonstration endet mit einer Kundgebung auf dem Theaterplatz, an der rund 50.000 Demonstranten teilnehmen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Andreas Kämper
Dresdner Künstler initiieren eine Demonstration für eine neue Verfassung. Die Demonstration endet mit einer Kundgebung auf dem Theaterplatz, an der rund 50.000 Demonstranten teilnehmen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Andreas Kämper
Gunther Emmerlich und Ludwig Güttler auf der von Dresdner Künstlern initiierten Demonstration für eine neue Verfassung am 19. November 1989. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Andreas Kämper
Im Herbst 1989 erfasst die Revolution das ganze Land. Auch wenn in vielen Geschichtsbüchern nur die Ereignisse in Leipzig und Berlin erscheinen, darf nicht vergessen werden, dass das schnelle Ende der SED-Herrschaft vor allem deshalb erreicht wird, weil im Oktober und November auch in anderen Orten der DDR mutige Menschen gegen den Staat und für ihre Interessen demonstrieren.
Bereits am 1. September 1989, dem Weltfriedenstag, gehen zum Beispiel in den kleinen Städten Neuruppin (nördlich von Berlin) und Forst (bei Cottbus) Menschen auf die Straße. In Forst, einem Städtchen an der polnischen Grenze, versammelt sich eine Handvoll junger Leute, um mit Transparenten einen zivilen Wehrersatzdienst zu fordern. Unter dem Motto „Friedensbrücken statt Friedensgrenzen“ plädieren sie außerdem für eine Wiederöffnung der Grenze nach Polen. Auch in Neuruppin sind es vor allem junge Menschen, die vom „Friedensstaat“ DDR eine wahrhaftige Friedenspolitik fordern.
Eine wichtige Initialzündung für die offenen Proteste in anderen Städten ist das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Leipziger Demonstranten am 11. September 1989. Viele der vor allem jungen Demonstranten werden von Polizisten, die oft nicht älter sind als sie selbst, verprügelt und festgenommen. In zahlreichen Kirchen im ganzen Land versammeln sich Menschen zu Fürbittgottesdiensten für die inhaftierten Aktivisten.
In Arnstadt (Thüringen) ist es die Aktion eines 25-Jährigen, die eine ganze Stadt wach rüttelt. Günther Sattler, dessen Vater ein Volkspolizist ist, kann zu den Zuständen im Land nicht länger schweigen: „Ich habe mit Bekannten darüber gesprochen, alle haben geschimpft. Aber keiner hat sich irgendwie getraut, was zu machen. Ich wollte mich nicht ständig selbst belügen. Und irgendwann war es dann soweit.“
Günther Sattler schreibt auf einer geborgten Schreibmaschine einen Aufruf, sich am 30. September 1989 auf dem Markt in Arnstadt zu versammeln und damit gegen die Zustände im Land zu protestieren. Er verteilt anonym einige Dutzend Zettel, doch dabei bleibt es nicht. Einige Bürger vervielfältigen den Aufruf und reichen ihn weiter. Zwei Schüler werden kurzzeitig von der Stasi verhaftet, als sie die Flugblätter verteilen. Am 30. September versammeln sich rund 200 Menschen auf dem Holzmarkt in Arnstadt. Und das, obwohl niemand weiß, von wem der Aufruf stammt.
Rostock, Dresden, Chemnitz, Neuruppin, Forst, Arnstadt ... Im Herbst 1989 erfasst die Protestwelle weitere DDR-Städte
In Rostock findet seit dem 5. Oktober 1989 jeden Donnerstag eine Mahnwache für die inhaftierten Leipziger statt (Bildergalerie). Mitte Oktober 1989 versammeln sich hier schon Tausende Menschen, um nach dem Vorbild der Leipziger Montagsdemonstrationen für eine Demokratisierung des Landes einzutreten. Große Protestdemos finden am 7. Oktober, dem 40. Jahrestag der DDR, unter anderem auch in Dresden, Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) und Gera statt (Johanna Kalex berichtet im Zeitzeugen-Video davon).
Nach der großen Demonstration vom 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz, zu der eine halbe Million Menschen gekommen sind, werden auch in kleineren Städten, wie Fürstenwalde bei Berlin, Demonstrationen organisiert. Hier hat es zuvor keine solcher Aktivitäten gegeben (Bildergalerie).
Nach Öffnung der Mauer am 9. November 1989 sinkt die Zahl derjenigen, die gegen das DDR-System auf die Straße gehen. Auf allen Demos im Land ist zudem ein starker Stimmungsumschwung zu verzeichnen: Während bis zu diesem wichtigen Tag die Stimmen der Protestierenden überwiegen, die einen demokratischen Umbau der DDR fordern, hört man ab dem 9. November 1989 nun häufiger den Ruf „Wir sind ein Volk!“. Der Fall der Mauer hat den Menschen ein neues Ziel eröffnet: die Wiedervereinigung Deutschlands.
Zitierempfehlung: „Demonstrationen in der ganzen DDR“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2018, www.jugendopposition.de/145399
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Der September war ja schon die Zeit der Vorbereitung auf den 40. Jahrestag der DDR. Wir wussten natürlich, dass die SED noch einmal versuchen würde, als wäre alles normal, dieses runde Jubiläum zu feiern, und haben dann unser Gegenprogramm entwickelt. Das sah zunächst einmal so aus, dass wir am Vorabend dieses 40. Jahrestages in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg eine große Veranstaltung gemacht haben unter dem Titel „Wie nun weiter DDR?“. Die fand ungefähr gleichzeitig mit dem Fackelzug statt, den die SED traditionell am Vorabend dieses Jahrestags veranstaltet hatte. Im Mittelpunkt des Abends standen zwei Dinge: Zum einen wurde ein Aufruf verlesen der ganzen Oppositionsgruppen, in dem wir freie Wahlen unter Aufsicht der UNO gefordert hatten. Das war schon eine sehr explizite politische Forderung, die wir so geschlossen und so eindeutig vorher noch nicht aufgestellt hatten. Das Zweite war eine kleine Künstlergruppe, die Musik machte, Sketsche usw. Die hatten ein Programm, das unter dem Titel lief – das passte an dem Abend so gut – „Morgen hauen wir auf die Pauke“. Und es gab eine überfüllte Kirche. Ich hab eine ganz wunderbare, energiegeladene Stimmung in Erinnerung, aber eben auch immer gemischt mit Unsicherheit und der Angst, was wird. Das war der 6. Oktober. Ja, und am 7. gings dann richtig los.
Am Nachmittag, glaube ich, ging das am Alexanderplatz los, und natürlich bekamen wir telefonisch sofort Informationen darüber. Die Demonstranten brachen ja dann auf in Richtung Gethsemanekirche. Die war sowieso schon Abend für Abend voll in dieser Zeit. Und eine Mahnwache gab es dort. Und es gab eine Gruppe von jungen Leuten, die im Altarraum Lager aufgebaut hatten, einen Hungerstreik begonnen hatten und dort immer 24 Stunden am Tag waren. Das war wirklich ein Treffpunkt. Überall hingen Zettel mit irgendwelchen Informationen. Wer was wissen wollte, ging erst mal zur Gethsemanekirche hin. Deswegen war es für die Demonstranten auch naheliegend, irgendwann dahin aufzubrechen. Als sie sich dann der Gethsemanekirche näherten, griffen die Sicherheitskräfte ein.