Die Teilung Berlins wird mit der Gründung der beiden deutschen Staaten ab 1949 zum Dauerzustand. Die Westsektoren stehen unter der Hoheit der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Der Ostsektor wird zur Hauptstadt der DDR erklärt. Zunächst bleiben die Sektorengrenzen offen. An den Kontrollpunkten und in den S- und U-Bahnen, die quer durch ganz Berlin fahren, muss man seinen Ausweis vorzeigen. Unregelmäßig werfen Volkspolizisten oder der Zoll einen Blick in Aktentaschen und Beutel, um zu beschlagnahmen, was sie als Schund- und Schmutzliteratur bewerten, oder um sogenannte Schieber dingfest zu machen.
In der Vier-Sektoren-Stadt treffen nicht nur die feindlichen Weltmächte aufeinander. Hier gibt es zwei Währungen, zwei Wirtschafts- und Rechtssysteme und vor allem zwei unvereinbare Weltanschauungen. Die DDR-Regierung sieht in vielem, was in West-Berlin geschieht, eine sittliche Gefährdung der eigenen Jugend. Dort wird Rock 'n' Roll getanzt, dort gibt es Tarzan- und Mickey-Mouse-Hefte zu kaufen, dort laufen Wildwestfilme im Kino. Gerade das macht West-Berlin für viele Jugendliche so anziehend. Und manche gehen im Westen auch zur Schule oder zur Universität.
Im Demokratischen Sektor – wie der Ostteil Berlins von der SED-Regierung bezeichnet wird – gilt die Ostmark, in West-Berlin die Westmark. In Westberliner Wechselstuben kann man zum Kurs von eins zu vier bis eins zu sieben tauschen. Das nutzen besonders die rund 50.000 Leute aus Ost-Berlin und Umgebung, die im Westteil der Stadt arbeiten. Umgekehrt gibt es auch Westberliner, die in Ost-Berlin ihrer Arbeit nachgehen.
Die sogenannten Grenzgänger, Anfang der 1960er Jahre circa 50.000 Menschen, werden für die SED zum Stein des Anstoßes: Sie verdienen im Westen und nutzen die sozialen Einrichtungen im Osten, lautet der Vorwurf. Sie profitieren vom „Schwindelkurs“, denn sie tauschen nicht zum offiziellen Kurs eins zu eins. Die Waren im Osten sind dadurch für sie erheblich billiger. Auch viele Westberliner nutzen diese Möglichkeit des günstigen Einkaufs. Noch vor dem Mauerbau versuchen die Ostbehörden dies zu unterbinden. Die SED beschließt, dagegen vorzugehen. Ab dem 20. Januar 1953 dürfen Lebensmittel und Industriewaren in der gesamten DDR und in Ost-Berlin nur noch gegen Vorzeigen des Personalausweises oder des Stammabschnittes der Lebensmittelkarte abgegeben werden; auch in Restaurants und Cafés ist der Personalausweis vorzuzeigen. Die SED-Propaganda macht die Grenzgänger und Schieber sogar verleumderisch für die erheblichen Versorgungsschwierigkeiten verantwortlich.
Entscheidung von Betonköpfen: Eine Mauer durch Deutschland
Doch der eigentliche Grund für den sich steigernden Unmut der DDR-Führung ist die permanente Abwanderung von Arbeitskräften durch das Schlupfloch West-Berlin. Gerade junge und qualifizierte Menschen suchen ihr Glück im Westen, wo der Wirtschaftsaufschwung herrscht. Will die DDR nicht untergehen, muss sie diesen Flüchtlingsstrom dringend stoppen.
In der Nacht zum 13. August 1961 riegeln die Nationale Volksarmee und Kampfgruppen die Sektorengrenze ab. In den folgenden Tagen errichten sie Sperranlagen. Von nun an wird auf Flüchtlinge scharf geschossen. Nach einigen Tagen der Duldung wird den Westberlinern der Zugang zum Ostteil der Stadt völlig verwehrt. Nicht nur Berlin ist endgültig geteilt, auch die bereits befestigte innerdeutsche Grenze wird weiter ausgebaut, bis sie undurchdringlich ist.
Die Verzweiflung und die Empörung in der DDR sind groß – besonders in Berlin. Auch die Westberliner wehren sich gegen die Teilung ihrer Stadt. Am 16. August protestieren 300.000 Menschen vor dem Schöneberger Rathaus, unter ihnen auch der damalige Bürgermeister der Stadt, Willy Brandt. Es herrscht eine bedrückende Endzeitstimmung, zumal die Westmächte nichts unternehmen. Ihre Sorge, aus dem kalten könne ein heißer Krieg werden, ist zu groß. Der amerikanische Präsident John F. Kennedy bringt es auf den Punkt: „Keine sehr schöne Lösung, aber tausendmal besser als Krieg.“
Aufzubegehren trauen sich nur die wenigsten. Dafür hat das DDR-Regime sie bereits zu stark eingeschüchtert. Und der Staat reagiert jetzt auf jeden Widerspruch mit verschärften Strafen.
Zitierempfehlung: „Mauerbau“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Juli 2019, www.jugendopposition.de/145359
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Den 13. August '61 habe ich früh erst mal als einen wunderschönen Tag empfunden, weil ich a) Geburtstag hatte und wir b) mit Freunden verabredet waren. Wir haben eine große Feier gemacht, und während der Feier wurde schon erzählt: In Berlin hat man eine Mauer gebaut. Wir haben das gar nicht für voll genommen, weil wir ja immer im Hinterkopf hatten: Wenn du willst, kannst du sowieso abhauen. Im Alter von 20 Jahren, bei einer Feier, ist das nicht d a s Thema.
Wir sind abends schlafen gegangen, morgens aufgewacht und sollten am 14. August wieder zu einer Fangreise aufbrechen. Bevor wir auslaufen konnten, mussten wir alle in den Speiseraum des Fischkombinats, den größten Versammlungsraum kommen. ´Wir`, das waren gleichzeitig fünf Schiffe, die auslaufen wollten, also über 100 Seeleute. Dort war eine Kader-Partei-Instrukteurin aus Berlin, die uns die Beschlüsse der ´Partei und Regierung` noch einmal erläutert hat. Wie ich jetzt im Nachhinein erfahren habe, waren in allen größeren Betrieben solche Instrukteure unterwegs. Man sprach von einem antifaschistischen Schutzwall`, das war die Begründung.
Sie hat uns das nun aus ihrer Sicht erklärt. Wir waren jung, wir waren mutig, und wir hatten morgens natürlich über den RIAS die wahren Gründe [erfahren]. Wir wussten ungefähr, worum es ging. Die Flüchtlingszahlen sprachen für sich: 30.000 im Schnitt im Monat. Sie erzählte eine Weile, sprach immer wieder vom antifaschistischen Schutzwall und davon, dass die Berliner Bevölkerung unsere Kampfgruppen begeistert begrüßt hatte: ´Die stehen voll und ganz dahinter`. Alles saß da und hörte sich das an, und jeder sagte sich: Die schwindelt aber. Irgendwann war ein Punkt erreicht, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich weiß nicht mehr, was sie im Einzelnen genau gesagt hat, jedenfalls habe ich gesagt: ´Das stimmt nicht. Ihr habt die Grenze zugemacht, weil die Leute abhauen! Euer System will keiner mehr haben, ihr hängt am Boden, ihr seid abgewirtschaftet`.
Und wie das so ist: Wenn einer was sagt, sagen viele was. Wir waren ja überwiegend junge Leute. Das endete in einem Tumult. Sie wollte was sagen, aber gegen 100 Seeleute kam sie nicht mehr an. Sobald die nur den Mund aufmachte, wurde sie niedergeschrien mit: ´Ost-Tussi, du schwindelst, du lügst`. Ich hab abgehalftert. Wir haben die einfach stehen lassen und sind rausgegangen. Was sollte sie machen? Sie konnte nichts machen. Wir waren zu viele. Wir sind raus, sind zum Dampfer gegangen, sind ausgelaufen. Und wir waren weg, bevor die bei der Stasi richtig anfangen konnten, zu rotieren und sich die so genannten ´Rädelsführer` zu greifen. Wobei ich mich nicht als Rädelsführer begriffen habe. Es war einfach eine Äußerung. Ich konnte es nicht verkraften, dass die uns offensichtlich belogen hat.
Johannes Rink, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de