Das Informationsmonopol in der DDR liegt beim Staat. Nachrichten werden durch die SED-Führung gesteuert und gezielt verbreitet. Zusammen mit Frank Pfeiffer verteilt Evelyn Zupke selbstgedruckte Wurfzettel in Berlin-Weißensee und Prenzlauer Berg, um auf die oppositionelle Sendung Radio Glasnost aufmerksam zu machen in der Ostdeutsche unabhängig aus der DDR berichten. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/RAD 1-61 Abschrift
Die Verteilung der Radio Glasnost-Wurfzettel, die Evelyn Zupke zusammen mit Freunden des Weißenseer Friedenskreises erstellt, ist eine ihrer ersten oppositionellen Aktionen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/RAD 1-80 Abschrift
Insel Rügen 1984. Als sich die 22-jährige Evelyn Zupke und ihr Freund weigern, zur Wahl zu gehen – in ihren Augen zum bloßen „Zettelfalten“ –, werden sie von ihren Kollegen im Ferienheim des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds massiv unter Druck gesetzt. Nach endlosen Schikanen durch die Kollegen kündigt das Paar und sucht sich eine Arbeit in einer kirchlichen Einrichtung, dem Auffangbecken für Andersdenkende und Oppositionelle in der DDR.
Später in Ost-Berlin, im Weißenseer Friedenskreis, überlegt Evelyn Zupke mit Freunden, wie man der DDR-Führung den anstehenden Wahlbetrug bei der Kommunalwahl am 7. Mai 1989 nachweisen könnte. In ihrer Wohnung im Stephanus-Stift ist ein „Wahlbüro“ der Berliner Opposition eingerichtet. Hier zählen die Freunde am Abend des 7. Mai 1989 die Ergebnisse aus. In den darauffolgenden Tagen und Wochen drucken sie Flugblätter und gemeinsam mit der Umwelt-Bibliothek Berlin (UB) die Dokumentation Wahlfall. So wollen sie die eigenen Ergebnisse und den Wahlbetrug bekannt machen. Die Gruppe schreibt Eingaben an verschiedene staatliche Institutionen, um die Korrektur der Wahlergebnisse einzufordern. In dieser Zeit wird Evelyn Zupke von der Stasi observiert – ganz offen, um sie einzuschüchtern.
Das Ministerium für Staatssicherheit holt Evelyn Zupke regelmäßig vor den für jeden 7. eines jeden Monats geplanten Protestdemos zum „Gespräch“ ab. Man verbietet ihr die Teilnahme, stellt sie unter Hausarrest, erteilt ihr Innenstadtverbot. Da sie ihre Wohnung nun nicht mehr verlassen darf, schmuggeln Freunde etwas für sie aus dem Haus und bringen es zur Sophienkirche: die für die erste Demonstration gegen den Wahlbetrug am 7. Juni 1989 von den Demonstranten nachgemachte Wahlurne, die sie in ihrem Kleiderschrank versteckt. Die jungen Oppositionellen wollen den Schutz der Kirche verlassen und an die Öffentlichkeit treten, auch wenn das von den älteren Kirchenoberen als zu gefährlich eingeschätzt wird. In den folgenden Monaten sollen die Demonstrationen auf dem Ostberliner Alexanderplatz stattfinden.
Am 7. September 1989 gelingt es Evelyn Zupke, die Stasi-Leute, die sie bespitzeln, abzuschütteln und sich zum Treffpunkt auf dem Alex zu schleichen. Dort wird sie zusammen mit Frank Ebert und den anderen Demonstranten verhaftet. Diesmal geht die Stasi allerdings mit einer Brutalität vor, die sie sehr erschreckt. Den Kellnern in den umliegenden Cafés erzählt die Stasi, dass hier nur ein Film gedreht würde. Man solle sich nicht wundern.
Biografische Angaben zu Evelyn Zupke finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Evelyn Zupke“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145500
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Am 7. September haben wir aufgerufen: Um 17 Uhr am Springbrunnen. Da hatten wir Trillerpfeifen und T-Shirts mit Buchstaben drauf, wo alles zusammen [gelesen] ´7. Mai – Wahlbetrug` ergeben hätte. Dazu kamen wir natürlich nicht. Kurz vor 17 Uhr haben wir uns – wir wussten ja alle, wir wollten zu dem Springbrunnen – angeguckt. Blickkontakt. Wir haben es versucht, aber in dem Moment, als wir auf den Springbrunnen zu gingen, da kamen von allen Seiten Massen von Stasi auf uns zu. Wir haben es noch geschafft, einige mal kurz die Trillerpfeife [zu pfeifen], und dann haben wir gesagt: ´Wenn die kommen, dann springen wir einfach in den Springbrunnen, dann werden sie wenigstens auch nass!`.
Dann haben die das aufgelöst, teilweise ziemlich brutal, haben uns über den Alex geschliffen. Da war viel Publikum, aber sie haben sich überhaupt nicht daran gestört. So eine alte Oma mit Krückstock hat noch zu einem Polizisten oder Stasi[-Mitarbeiter] gesagt: ´Schämst du dich nicht, Junge?`. Und da stand eine Frau, die hatte Tränen in den Augen, die war entsetzt, die konnte das gar nicht begreifen. Mir selber hat nur noch der Kopf gerauscht, das war wie ein Film. In den Cafés rundherum hatten die dem Personal erzählt, dass da ein Film gedreht wird, auf dem Alexanderplatz.
Evelyn Zupke, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de