Ost-Berlin 1983. Christian Halbrock ist 20 Jahre alt und im Umweltkreis der Evangelischen Studentengemeinde aktiv. Er beteiligt sich unter anderem an Aktionen gegen den Autobahnbau bei Schwerin und an Fahrrad-Demonstrationen gegen die Umweltverschmutzung in der DDR. Christian Halbrock will aktiv sein und auf die Straße gehen – nicht nur diskutieren und Eingaben schreiben.
Wenn man in dieser Zeit unter dem Label „Öko“ aktiv ist, wird man von der Partei nicht sofort als Staatsfeind definiert, auch wenn mit Umwelt nicht nur die Natur, sondern die gesamte Gesellschaft gemeint ist. Christian Halbrock und seine Freunde wollen diese Gesellschaft verbessern. Bei ihren Demos können die Aktivisten auf Unterstützung aus der Bevölkerung hoffen: Sie kann nicht verstehen, warum man die Jugendlichen verhaftet, wo sie doch etwas für die Umwelt tun!
Zusammen mit Wolfgang Rüddenklau beteiligt sich Christian Halbrock 1986 am Friedens- und Umweltkreis der Pfarr- und Glaubenskirche Lichtenberg. Im selben Jahr gründet er zusammen mit Wolfgang Rüddenklau und Carlo Jordan die Berliner Umwelt-Bibliothek (UB). Auf der Suche nach eigenen Räumen nehmen die Gründer Kontakt zu Pfarrer Simon von der Zionsgemeinde in Berlin-Mitte auf, der seinen Keller zur Verfügung stellt. Dort bauen die Aktivisten die UB auf, veranstalten Vorträge und stellen die Samisdat-Zeitschrift Umweltblätter her, zunächst in einer monatlichen Auflage von etwa 200 Exemplaren, später sind es 600. Im Jahr der Revolution, 1989, werden bis zu 2.000 Exemplare gedruckt.
Mit der Etablierung der UB als öffentlicher Treffpunkt für Andersdenkende wird das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) auf die Vorgänge im Keller der Zionsgemeinde aufmerksam. Für Christian Halbrock und die anderen Mitglieder der UB gibt es Ordnungsstrafen wegen „Störung des sozialistischen Lebens“. Als Folge der MfS-Razzia im November 1987 erfährt die UB großen Zuspruch aus der Bevölkerung. Solidaritätsadressen von verschiedenen Gruppen aus Ost und West treffen ein, es kommen Papierspenden und deutlich mehr Besucher. Christian Halbrock verabschiedet sich im Dezember 1989 von der UB. Aus seiner Perspektive hat sie ihren Zweck verloren: das Informationsmonopol des Staates zu brechen. Das hat sich mit der Friedlichen Revolution von selbst erledigt.
Biografische Angaben zu Christian Halbrock finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Christian Halbrock“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145510
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Der Vater hatte mehr so ein pragmatisches Verhältnis. Er hatte mal miterlebt, dass irgendeine Fahndung lief, zwecks Festnahme. Ich hatte die an sich praktische Idee, endlich meiner Gewohnheit nachgehen und über das Dach entweichen zu können. Man konnte schön auf den Dächern langlaufen, über Häuser, später heruntersteigen und dann wieder nach Hause. Auf dem entsprechenden Weg standen die entsprechenden Mitarbeiter des MfS [Ministerium für Staatssicherheit] und wunderten sich, warum er nicht nach Hause kommt. Das hat mein Vater mal mitgekriegt und hat sich höllisch aufgeregt. Er hat die irgendwie beschimpft, dass das hier ja wäre wie früher, vor 1945, und all so was. Wahrscheinlich ist ihm da ein wenig die Sicherung durchgebrannt. Er hat dann auch eine Beschwerde an das MfS geschrieben.
Das ist so die Position, mit der sich die Eltern durchmanövriert haben – oder versucht haben, sich eine Position zu erarbeiten. Später war es so, dass ich auch von meinem Vater Unterstützung bekam. Natürlich war das Hauptproblem der Eltern: Der Sohn macht da irgendwas mit Siebdruck in einer Umwelt-Bibliothek, schleppt sich durch. Dann stand er alle zwei Wochen bei mir auf der Matte, mit so einer Sammlung aus Zeitungen, wo wieder Elektromonteure gesucht wurden. Ob ich mich nicht mal vernünftig bewerben wolle? – auf eine ordentliche Arbeitsstelle und so weiter und so fort. Und: ´Das geht doch nicht ewig so`. Nachdem das irgendwie abgehandelt war, zog er dann aus seiner Tasche doch noch einige Wachsmatrizen heraus, die er im Laufe seines kirchlichen Dienstes abgezweigt hatte. Es war schon so, dass es positiv bewertet wurde. Neben allen Sorgen, sicherlich.
Christian Halbrock, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de