Der Tag, der Geschichte schreibt: Am 9. November 1989 feiern Jugendliche am Grenzübergang Friedrichstraße die Öffnung der Mauer. Quelle: REGIERUNGonline/Klaus Lehnartz
Am 10. November 1989 stehen Bewohner aus West- und Ost-Berlin auf der Mauerkrone am Brandenburger Tor. 28 Jahre lang ist das Brandenburger Tor das Symbol für die Teilung der Stadt gewesen. Nun ist es für alle Deutschen zum Greifen nahe. Am 22. Dezember 1989 wird endlich auch die Mauer am Brandenburger Tor geöffnet. Quelle: REGIERUNGonline/Klaus Lehnartz
Bewohner aus beiden Teilen der Stadt nehmen die Mauerkrone in der Nähe des Reichstagsgebäudes in Besitz (10. November 1989). DDR-Volkspolizisten versuchen verzweifelt, die Lage in den Griff zu bekommen. Quelle: REGIERUNGonline/Klaus Lehnartz
Noch ein ungewohntes Bild: Ein Westberliner Polizeibeamter (links) und ein DDR-Grenzsoldat stehen gemeinsam am neuen Grenzübergang Potsdamer Platz. Quelle: REGIERUNGonline/Klaus Lehnartz
Begrüßung zwischen Ost- und Westberlinern am neuen Grenzübergang Schlesische Straße/Puschkinallee (11. November 1989). Quelle: REGIERUNGonline/Klaus Lehnartz
Grenzverkehr auf der Bornholmer Brücke am 11. November 1989. Quelle: REGIERUNGonline/Klaus Lehnartz
In den ersten Novembertagen 1989 hält die SED trotz der sich zuspitzenden Revolutionswirren noch immer an ihrem Herrschaftsanspruch fest. Weiterhin mit allen Machtbefugnissen ausgestattet, versucht die Staats- und Parteiführung, den Druck der Opposition zu kanalisieren und abzuschwächen – zum Beispiel mit weitgehender Pressefreiheit. In der Eile, in der plötzlich viele Verordnungen verabschiedet werden müssen, kommt es allerdings auch zu einigen folgenschweren Pannen.
Als das Zentralkomitee der SED am 9. November 1989 tagt, gibt Günter Schabowski, Mitglied des SED-Politbüros, am frühen Abend eine Pressekonferenz, in der er die neuen Ausreisebestimmungen für DDR-Bürger vorstellt. Da Günter Schabowski zu diesem Zeitpunkt nicht über alle Regelungen des hektisch ausgearbeiteten Papiers informiert ist, gibt er auf Nachfrage eines italienischen Journalisten eine vorschnelle Antwort. Ab wann DDR-Bürger ohne Visum in die Bundesrepublik reisen können, fragt der Italiener, und Günter Schabowskis Antwort lautet: „Sofort, unverzüglich!“ Eigentlich soll die Regelung jedoch erst ab 8.00 Uhr des nächsten Tages in Kraft treten. Doch diese Nachricht, gesendet auf allen Kanälen in Ost und West – natürlich auch in der abendlichen Aktuellen Kamera – verbreitet sich wie ein Lauffeuer im Land.
Wie im Film: Die Grenzen öffnen sich, und keiner kann's glauben
Der Kameramann Rainer M. Schulz machte am 9. November 1989 die wahrscheinlich frühesten Aufnahmen der Grenzöffnung in der Bornholmer Straße. Schulz mischte sich mit seinen 17-jährigen Sohn unter die Massen und wartete auf die Öffnung des Schlagbaums. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Rainer M. Schulz/RHG_Fo_HAB_25798
Der Kameramann Rainer M. Schulz machte am 9. November 1989 die wahrscheinlich frühesten Aufnahmen der Grenzöffnung in der Bornholmer Straße. Als der Druck der Massen zu groß wurde, öffneten die Grenzer de Schlagbaum und der Jubel der Menschen kannte kein Halten mehr. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Rainer M. Schulz/RHG_Fo_HAB_25801
Der Kameramann Rainer M. Schulz machte am 9. November 1989 die wahrscheinlich frühesten Aufnahmen der Grenzöffnung in der Bornholmer Straße. Schulz traute sich vor der Öffnung der Tore nicht die Grenzer zu fotografieren. Als er realisierte wie hilflos sie sind, hielt er die Paralyse der Staatsmacht mit seiner Kamera fest. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Rainer M. Schulz/RHG_Fo_HAB_25807
Der Kameramann Rainer M. Schulz machte am 9. November 1989 die wahrscheinlich frühesten Aufnahmen der Grenzöffnung in der Bornholmer Straße. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Rainer M. Schulz/RHG_Fo_HAB_25810
Westberliner begrüßen die DDR-Bürger in der Nacht des 9. Novembers 1989 auf dem Kurfürstendamm. Im Hintergrund ist die Leuchtreklame des Cafés des Westens zu erkennen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Jörg Metzner/RHG_Fo_JM_F152-36
An den Grenzübergangsstellen in Ost-Berlin sammeln sich am Abend immer mehr Menschen, um die versprochene Reisefreiheit einzufordern. Die von der Situation überforderten Grenzer öffnen unter dem Druck der Menschenmassen die Schlagbäume, zuerst an der Bornholmer Brücke um 23.30 Uhr. Der Leiter der DDR-Passkontrollstelle an der Bornholmer Brücke meldet dies seinen Vorgesetzten mit den Worten „Wir fluten jetzt!“. Ein nächtlicher Freudentaumel durch West-Berlin beginnt. Zehntausende sind neugierig und wollen „nur mal gucken“, viele treffen nach langen Jahren erstmals wieder ihre Verwandten. Gegen Mitternacht wird das Brandenburger Tor eingenommen – die Berliner tanzen auf der Mauer, die sie 28 Jahre lang getrennt hatte.
Kurze Zeit später fallen auch an den anderen Berliner und innerdeutschen Grenzübergängen die Barrieren. Die eingesperrten DDR-Bürger überrennen vielerorts die Grenze. Einige wenige gehen auch von West nach Ost über die Grenze: ausgereiste oder ausgebürgerte ehemalige DDR-Bürger. Sie können nun zum ersten Mal in ihre alte Heimat zurück. (Unter ihnen auch Dorothea Fischer, die im Zeitzeugen-Video über den Mauerfall berichtet.)
Der Fall der Mauer und die Reise von Millionen DDR-Bürgern in die Bundesrepublik tragen erheblich dazu bei, dass die Forderung nach der Wiedervereinigung immer lauter artikuliert wird – und den Wunsch nach einer Reformierung der DDR zusehends verschwinden lässt.
Zitierempfehlung: „Mauerfall“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Januar 2020, www.jugendopposition.de/145400
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Ich hatte den 9. November einen ganz normalen Gruppenabend mit meinen Punks, nee mit meinen Skins und Hooligans, die waren an dem Tag. Die waren immer nach Tagen getrennt, damit sie sich nicht streiten. Das hat auch gut funktioniert. Der Gruppenabend war irgendwie vorbei, 20:30 Uhr oder irgendwas und auf dem Nachhauseweg habe ich im Autoradio gehört, irgendwas ist an der Grenze komisch. Irgendwie sind da Menschen, das ist irgendwas komisch, da ist offen, da ist nicht offen, keine Ahnung. Da versammeln sich jedenfalls viele Menschen. Und ich bin dann spontan einfach zur Bornholmer Straße gefahren, weil ich dachte, die Nachrichten verstehe ich nicht, dann kann ich es mir doch selber angucken. Ich habe ja derzeit auch in der Nähe von der Bornholmer Straße gewohnt. Dort sah ich Menschen und habe am Anfang der Bornholmer Straße meinen Trabi abgestellt und bin da hingelaufen. Und da standen so 50 bis 100 Menschen ganz friedlich vor der Grenze. Die haben sich immer mal unterhalten mit den Grenzern. Die haben gesagt: "Wir wissen auch nicht", und die haben gesagt: "Aber wir wollen doch hier jetzt rüber und wir haben gehört, dass man jetzt rüber kann. Und der Schabowski hat gesagt..." und so. Alles ganz merkwürdig. Und dann ging an der Seite so ein kleiner Strom in so einen Verbau rein und dann habe ich mich da angestellt und dann ging man da rein und da war so eine Passstelle. Dann habe ich meinen Personalausweis, wie alle anderen auch, da hingehalten und dann machte der Grenzer da auf mein Passbild einen dicken Stempel drauf, sodass man das Passbild nicht mehr sehen konnte. Ich sagte: "Ey, was soll das? Jetzt weiß man gar nicht mehr, dass das mein Ausweis ist." Und da knurrte der eine: "Brauchste eh nicht mehr, du gehst ja in den Westen." Wollte ich gar nicht! Aber hinter mir drängelten Leute, die wollten auch. Dann bin ich da in den Westen geschubst worden, an der Bornholmer. Da war noch nix mit groß begrüßen, war einfach noch keiner da. Ich bin dann da am Ende auf so eine Wendeschleife. Da habe ich mich dann hingestellt und da hielt ein roter Ford Fiesta. Der hat gesagt: "Was ist hier los? Weil hier kommen jetzt immer Leute durch, das ist ja komisch." Ich habe gesagt: "Die Grenze ist auf, bin jetzt hier, ich bin aus der DDR, bin gerade hier rüber geschubst worden." Und er hat gesagt: "Das ist doch cool, willste mitfahren? Wo willst du hin?" Ich sage: "Keine Ahnung, ich kenn mich hier gar nicht aus. Was macht man denn, wenn man in West-Berlin ist?" Sagt der: "Na dann fährt man eigentlich auf den Ku'damm, da gibt es eine Diskothek." "Ja, denn fährst du mich zum Ku'damm, zur Diskothek. Dann bin ich da eingestiegen. Ich musste erleben, dass das Fahren im Ford Fiesta hinten auch nicht viel komfortabler ist als im Trabi. Habe ich vorher auch nicht gewusst. Das ist jetzt auch nicht so die Erleuchtung. Und er hat mich da an der Diskothek am Ku'damm abgesetzt. Dann bin ich da in die Diskothek, und da waren die Einlasser. Der hat mir gesagt, ich solle Eintritt bezahlen. Habe ich aber nicht. Ich habe kein Westgeld, ich habe nur DDR-Geld, weil die Grenze ist offen. Und der: "Was, die Grenze ist offen?" Dann müssen wir gleich Bescheid sagen. Da haben sie mich da reingezerrt zu dem Diskotheker da vorne. Und dann musste ich da sagen, das jetzt die Grenze auf ist und da jubelte auf einmal die ganze Diskothek. Irgendwie hatten sie es ja offenbar mitgekriegt und dann wurde ich da mit Essen versorgt und dann bin ich da in der Nacht über den Ku'damm gelaufen. Und bin früh um vier oder irgendwann einfach zurückgelaufen.