Die Chinesische Lösung
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Radio Glasnost: Protestaktionen gegen das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens
Abschrift
Moderatorin:
„Die Empörung der chinesischen Studentin teilten in den letzten Wochen viele Bürger der DDR, und sie protestierten mit Andachten, Kundgebungen und Trommelfasten gegen das Vorgehen der Armee in China als auch gegen die Art, wie in der DDR darüber Bericht erstattet wurde. Dieser Protest brachte häufiger ziemlichen Ärger mit der Staatsmacht ein, wie die beiden folgenden Beispiele belegen, von denen wir erst jetzt erfuhren.“Sprecher:
„Am 8. Juni, vier Tage nach dem Massaker in Peking, tauchten bei einer Abendveranstaltung im Jugendklub Atelier 89` in der Greifswalder Straße 89 in Ost-Berlin Flugblätter auf. Darin wurde unter der Losung China ist nicht fern` für den darauffolgenden Abend eine Demonstration durch den Stadtbezirk Prenzlauer Berg angekündigt. Am Treffpunkt Sredzki-, Ecke Rykestraße versammelte sich zunächst ein massives Aufgebot an zivilen und uniformierten Ordnungshütern. Sogar 30 verdächtig aussehende Personen wurden festgenommen und ins Vernehmungsgebäude Magdalenenstraße transportiert. Anderentags wurden sie um die Mittagszeit wieder freigelassen. Ein gesuchter Organisator der China-Demonstration war offenbar unter ihnen nicht gefunden worden. Stattdessen wurde dann der Leiter des Jugendklubs entlassen und das ganze Klubaktiv als politisch untragbar` bezeichnet. Einen Monat später, am 12. Juni, wurden dann drei junge Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren in Ost-Berlin verhaftet. Ihnen wird die Herstellung der Flugblätter und eines Demoplakates mit der Aufschrift China ist nicht fern` vorgeworfen. Inzwischen laufen die Ermittlungsverfahren gegen sie nach Paragraph 220 des Strafgesetzbuchs wegen der Herabwürdigung von staatlichen Organen und ausländischen Vertretungen`. Im entsprechenden Paragraphen heißt es: Ebenso wird bestraft, wer Schriften, Gegenstände oder Symbole, die geeignet sind, die staatliche oder öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen, das sozialistische Zusammenleben zu stören oder die staatliche oder gesellschaftliche Ordnung verächtlich zu machen, verbreitet oder in sonstiger Weise zugänglich macht.` Danach kann also das Hochhalten eines nicht genehmigten Plakates mit bis zu drei Jahren Knast geahndet werden. China ist eben näher, als mancher denkt.
Auch in Dresden. Dort besetzten Leute aus einem autonomen Forum am 9. Juli die große Dresdner Kreuzkirche und begannen ein Trommeln für Peking`. Kurze Zeit danach war der Altmarkt von Polizeikräften abgeriegelt. Eine Videokamera filmte alle Passanten, die in die Kirche wollten. Einige wurden zur Polizeiwache abtransportiert. Dort wurden sie von zivilen Beamten verhört. Das klang dann so:Frage: Wissen Sie, was für eine Veranstaltung in der Kirche abgehalten wurde?`
Antwort: Ich vermute, es ging um die Todesurteile in China.`
Frage: Wo gab es ähnliche Veranstaltungen?`
Antwort: In der Gethsemanekirche, in der Samariterkirche und in der Erlöserkirche in Berlin.`Dort griffen die Polizeikräfte nicht direkt ein. Sie hatten die Kirchen allerdings umstellt.
Frage: Hatten Sie vor, in die Kirche zu gehen?`
Antwort: Ja, ich bin der Meinung, die Kirchen müssten für jedermann offen sein.`Zum Abschluss sagte der Vernehmer, dass außerhalb der Kirche eine nicht genehmigte Demonstration stattfinden sollte und die Festnahmen nur zur Sicherheit erfolgten. Deshalb wunderte es die Betroffenen, dass sie Ordnungsstrafen bezahlen sollen. Zitat aus der schriftlichen Begründung: Sie haben in der Dresdner Kreuzkirche durch das Schlagen auf eine Trommel ruhestörenden Lärm verursacht und damit andere Bürger ungebührlich belästigt. Damit missachten Sie im groben Maße gesellschaftliche Interessen.`
Insgesamt müssen 13 Personen Ordnungsstrafen zahlen in Höhe von 500 bis 1.000 Mark. Insgesamt will der Staat 11.300 Mark dafür kassieren, dass einige Bürger ihre Solidarität mit der Demokratiebewegung in China zum Ausdruck brachten.“Moderatorin:
„Bei den drei in Berlin Verhafteten handelt es sich nach unseren Informationen um Hendrik Schulze, Torsten Röder und Jörg Jacobi. Bislang ist nicht bekannt, wann gegen sie das Verfahren eröffnet wird.“Quelle: Radio Glasnost, Juli 1989