Abschrift
Die Zielsetzung der ´Kirche von Unten` war im Prinzip ein kirchenkritischer Ansatz mit dem Ziel, sich aus diesem Druck von Kirche und Staat etwas zu befreien, indem man eine selbst verwaltete Gemeinde schafft. Die Kirche ist zwar föderalistisch aufgebaut, auf Grundlage von Ortsgemeinden, aber trotzdem ist sie relativ hierarchisch. Der Friedenskreis der ESG ist 1983 von der Kirchenleitung aus der Studentengemeinde rausgeschmissen worden. Wir mussten nach eineinhalb Jahren Verhandlung in die Kirchengemeinde Friedrichsfelde umziehen. Es war immer so, dass man in dieser normalen, konservativen Gemeinde ein bisschen ängstlich war. Das war der alte Streit: Nehmen wir die Politik nun in die Kirche mit hinein? Oder ist christliches Leben, christlicher Glaube etwas Politisches? Diese Dinge waren in diesen konservativen Gemeinden relativ schwer durchzustehen, weil sie auf Ortsebene organisiert sind. Das heißt, man gehört zu der Gemeinde, in der man wohnt – und nicht zu der, zu der man sich hingezogen fühlt. Wir haben gesagt: ´Wir machen eine Personengemeinde, da kann jeder kommen. Egal, wo er wohnt, er kann bei uns mitmachen. Wir verstehen uns auch als politische Christen`. Das haben wir dann auch gemacht.
Im Mai '89 war Wahlparty – nachdem die Sozialdiakone, die das in Weißensee organisiert haben, aus der Stephanusstiftung rausgeschmissen worden sind. Bei uns gab es auch Trommeln gegen das Massaker in China – in Peking auf dem ´Platz des Himmlischen Friedens`. Wir haben Solidaritätsveranstaltungen für die armenischen Erdbebenopfer gemacht. Und für die Gefangenen der RAF, die im Hungerstreik waren. Wir haben Ende Oktober, zum 40. Jahrestag, drei Tage lang Veranstaltungen zur Geschichte der DDR gemacht. Und wir haben Gottesdienste gemacht.
Reinhard Schult, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de