Abschrift
Ich wollte noch mal kurz nachfragen zu diesen Fahrraddemos. Erst mal: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, so etwas zu machen, und wer ist auf die Idee gekommen?
Also, da gibts für mich keine Person, die das jetzt alleine erfunden hatte, sondern in einem Gespräch im Freundes- und Bekanntenkreis hat sich diese Idee entwickelt und man wollte also in irgendeiner Art ein Zeichen setzen, auf die Situation aufmerksam machen, aber eben man wollte nicht nur, was man die ganze Zeit immer gemacht hat: am Kneipentisch zu diskutieren, zu Hause im Zimmer zu diskutieren, sich aufzuregen und nichts zu machen. Also man musste auch was machen und auch seine Meinung kundtun auf irgendeine Art, aber auf so eine Art, dass man nicht ins Gefängnis kommt, also diese Gradwanderung zu gehen. Und dann haben wir eben überlegt, na ja, dann fahren wir eben mit dem Fahrrad und weisen auf die Luftverschmutzung hin. Und das ist in so einem Gespräch entstanden. Ich glaube, da gab es noch eine Überlegung, diese Demo anzumelden. Dann haben wir jemand gefragt, ob er das machen würde, der überhaupt nichts damit zu tun hatte mit der Idee-Entwicklung, und hat dann die Fahrraddemo angemeldet. Ich weiß es jetzt gar nicht, war das Harald Hauswald oder Uwe Dähn. Jedenfalls haben die dann auch, die Stasi, dann die als die Organisatoren erkannt, aber was sie eigentlich gar nicht waren.
Ja, und dann wurde ein Treffpunkt ausgemacht. Da hatten wir gesagt: Wir treffen uns an dem und dem Tag mit unseren Fahrrädern und dann fahren wir eine Tour. Ich glaube, bei der ersten Tour war dann der Endpunkt das ND-Pressefest gewesen im Friedrichshain. Keine Ahnung, aber mir war so, da müsste man noch mal nachgucken. Ich glaube, wir haben uns am Weinbergsweg getroffen und sind dann folgende Strecke gefahren – das sollte auch schon dort sein, wo ein paar mehr Leute unterwegs sind: Also wir sind die Invalidenstraße entlanggefahren, dann bis zur Chausseestraße, diese Chausseestraße vor bis Friedrichstraße/Unter den Linden, Unter den Linden eingebogen linksrum Richtung Alexanderplatz und von da die Karl-Marx-Allee dann hoch. Und da sind wir irgendwann links ab in Richtung Friedrichshain gebogen. Das war im September 82, glaub ich.
Die einen hatten ein Bild mit einem röhrenden Hirsch mit, andere hatten sich aufs T-Shirt was gemalt, andere hatten sich ein Tuch um den Mund gebunden, andere hatten eine Gasmaske aufgesetzt. Und damit sollte eben auf die Luftverschmutzung, auf die Umweltzerstörung aufmerksam gemacht werden. Vielleicht haben es ein paar verstanden, ich weiß es nicht. Aber ich glaub schon, also durch das, was aufs T-Shirt gemalt war, also zumindest das war dann schon kenntlich als solches.
Interview von Johannes Mundo und Christoph Ochs mit Tom Sello am 17. September 2007.
Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft