Abschrift
Hermann Kant:
„Ich will nur eines mit aller Deutlichkeit sagen: Wenn es darum ginge, die Umwelt zu schützen, muss man bei uns nicht in die Katakombe.“
Moderatorin:
„Ich finde diese Äußerung, ehrlich gesagt, nicht sonderlich deutlich. Auf demselben Kongress meldete sich im Übrigen auch Stefan Hermlin zur Durchsuchung zu Wort. Er meinte, für diese Aktion sind Leute verantwortlich, die von einer Bewegung hin zu einem neuen Denken und vom Abbau von Feindbildern nichts halten. Zu Hermann Kant haben sich dann auch Mitarbeiter der Umwelt-Bibliothek geäußert und haben das Ganze zum Anlass genommen, sich mit einem Offenen Brief direkt an Hermann Kant zu wenden.“
Sprecher:
„Werter Herr Kant,
in der ARD-Tagesschau vom 26. 11. 1987 äußerten Sie zur Durchsuchung der Umwelt-Bibliothek in der Zionsgemeinde und zur Verhaftung von Mitarbeitern, dass, wer sich in unserem Land für die Umwelt einsetzen wolle, nicht in die Katakomben zu gehen brauche. Ihre Äußerung zeigt, dass Sie schlecht informiert sind oder dass Sie sich im Stress Ihrer Tätigkeit beim Schriftstellerkongress in die Irre haben führen lassen. Deshalb halten wir es für nötig, Sie über die Umwelt-Bibliothek aufzuklären. Sie wird betrieben vom Umwelt- und Friedenskreis der Zionskirchgemeinde. Sie besteht seit über einem Jahr. Sie ist öffentlich, von jedem zu betreten. Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, 18 bis 22 Uhr. In der Galerie finden dreimal wöchentlich Lesungen, Vorträge, Diskussionen oder Musik und wechselnde Ausstellungen statt. Der Bücherbestand umfasst ca. 1.000 Stück. Er wurde durch Spenden erreicht. Herausgegeben wird ein Informationsblatt des Friedens- und Umweltkreises, die Umweltblätter. Wir laden Sie ein und fordern Sie auf, sich bei uns über die Vorfälle zu informieren. Gern können wir auch über einen Termin sprechen, wenn Sie in unserer Bibliothek einmal aus Ihren Werken lesen wollen. Auch eine ausführliche Darlegung und Diskussion über den Schriftstellerkongress würde zahlreiche Besucher interessieren, zumal unsere Presse bekanntlich über die Diskussionsbeiträge der Autoren höchst unvollständig informiert hat. Vielleicht könnten Sie, nachdem Sie sich von der gesellschaftlichen Wichtigkeit unserer Arbeit überzeugt haben, Ihren Einfluss geltend machen und uns zu größeren, besser ausgestatteten Räumen verhelfen, zumal durch die letzten Tage das Interesse an unserer Arbeit in der DDR und darüber hinaus größer geworden ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Umwelt-Bibliothek“
Quelle: Radio Glasnost, November 1987