Wolfgang Rüddenklau
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Radio Glasnost: Interview mit Wolfgang Rüddenklau über die Arbeit der Umwelt-Bibliothek
Abschrift
Interviewer:
„Wir sitzen hier in der Griebenowstraße 16 in Ost-Berlin in dem Keller der Pfarrgemeinde in der Umwelt-Bibliothek. Hier findet zurzeit eine Diskussion zum Thema Aids statt, oben in der UB-Galerie. Gleichzeitig ist dort eine Ausstellung von Igor Tatschke zu sehen. Hier unten die Buchregale sind gefüllt mit Büchern zu ökologischen Themen, zu Reisethemen, zur Friedensthematik.
Wolfgang, du bist einer der aktivsten Mitarbeiter hier in der Umwelt-Bibliothek. Wie hat das Ganze begonnen, und was ist eure Absicht mit der Umwelt-Bibliothek? Was wollt ihr erreichen? Wen wollt ihr erreichen?“W. Rüddenklau:
„Ja, also erst mal, ich weiß nicht, ob ich einer der aktivsten Mitarbeiter bin. Jeder hilft hier eigentlich nach seinen Kräften mit. Ich erübrige natürlich sehr viel Zeit für die Umwelt-Bibliothek. Wir haben die Umwelt-Bibliothek im September vorigen Jahres gegründet, also eröffnet, haben eigentlich schon angefangen im Mai vorigen Jahres. Wir wollten zu Friedens-, Umwelt-, Dritte-Welt-Themen eine Art alternatives Informationszentrum machen, und zwar also für Leute, die auf der Strecke arbeiten wollen. Andererseits aber auch für Leute, die ziemlich neu sind und überhaupt erst mal reinriechen wollen, die bisher kein Angebot hatten, jedenfalls kein systematisches Angebot, und das jetzt hier vorfinden. Wir haben da einen ziemlich großen Kreis mittlerweile von Leuten, die herkommen: Schüler, Studenten, manchmal sogar Lehrer oder auch Wissenschaftler. Das sind zum Teil natürlich Aussteiger, zum anderen Teil aber auch ganz normale Bürger.“Interviewer:
„Die Umwelt-Bibliothek wird ja hier in der Griebenowstraße 16 von einer evangelischen Kirchgemeinde mit unterstützt und getragen. Wie sind eure Kontakte zu staatlichen Stellen? Habt ihr überhaupt solche Kontakte? Gibt es da eine punktuelle Zusammenarbeit, vielleicht im Austausch von Informationen oder Publikationen? Oder habt ihr versucht, mit staatlichen Organisationen, die sich mit der Frage Umweltschutz in der DDR beschäftigen, in Kontakt zu treten?“W. Rüddenklau:
„Also, wir existieren als Friedens- und Umweltkreis nicht erst seit vorigem Jahr, [sondern] seit 1983. Wir haben da eine ganze Strecke von Erfahrungen mit staatlichen Institutionen. Die sind meistens negativer Art, dass diese Leute weitgehend dialogunfähig sind, das heißt also, auf Eingaben antworten sie im Allgemeinen ausweichend oder wegleugnend. Also, da gibt es kein Waldsterben und keinen Smog. Es gibt bloß Waldschäden und zuweilen Industrienebel, aber die Intensität wird halt geleugnet. Wenn man dann über Fakten verfügt, weichen sie ein Stückchen zurück, geben ab und zu einige Informationen preis, die man aber auch letztlich schon hat – eigentlich bloß Frontbegradigung.
Wir haben erst mal ziemlich negative Erfahrungen mit staatlichen Institutionen gemacht. Das muss nicht immer so bleiben. Wir versuchen erst mal, innerhalb der Bevölkerung für einfache Leute ökologische Aufklärung zu machen. Wir sind unter dem Dach einer evangelischen Kirchgemeinde und sprechen von daher natürlich zuerst Christen an. Aber es kommen auch viele Nichtchristen.“Interviewer:
„Gibt es bestimmte Themenbereiche, in denen Arbeitsgruppen tätig sind, oder bestimmte bevorzugte thematische Bereiche, mit denen ihr euch beschäftigt?“W. Rüddenklau:
„Also, wir haben verschiedene Bereiche hier in der Umwelt-Bibliothek. Wir sind zuerst einmal Informationskreis hauptsächlich, aber da gibt es eben verschiedene Bereiche. Das ist einmal die Bibliothek selbst. Dann versuchen wir, einige Broschüren herauszugeben. Also, etwa haben wir ja das Ausstiegskonzept der AL für West-Berlin und die DDR nachgedruckt …“Interviewer:
„Das Ausstiegskonzept aus der Atomenergie, ja?“W. Rüddenklau:
„Ausstiegskonzept aus der Atomenergie, Einstieg in die Alternativenergien. Dann haben wir ein Informationsblatt, das sich recht gut entwickelt, sowohl vom Umfang als auch vom Inhalt her. Dann haben wir die UB-Galerie. Das ist also erst einmal ein Ausstellungsraum. Dann haben wir auch die Möglichkeit, Kaffee zu trinken. Und schließlich ist dann noch eine Vortragsreihe in der UB-Galerie.“Interviewer:
„Welche Vorträge sind denn da schon gelaufen, und wie ist die Resonanz auf solche Vorträge? Wie viel Leute kommen da?“W. Rüddenklau:
„Also, die Resonanz ist ganz unterschiedlich. Es sind Vorträge nicht nur zu ökologischen Themen, sondern eben auch zu Friedensthemen, zu Reisen letztens etwa, heute zu Aids. Hier stellen sich also Aids-Experten vor und antworten auf Fragen. Die Resonanz ist, wie gesagt, sehr unterschiedlich, ebenso wie das Publikum. Etwa 50 Leute, würde ich sagen, manchmal wesentlich mehr, nämlich zu den Ausstellungseröffnungen, die immer unsere Räume also wirklich überbelasten, sodass wir uns fragen, wieweit wir das tragen können noch auf Dauer. Es ist schön, dass sich zum ersten Mal aus der ganzen Stadt Leute treffen können, um hier zu kommunizieren – und zwar ziemlich frei eigentlich – zu bestimmten Themen, aber eben auch völlig ohne Thema oben im Cafe während der Ausstellung.“Interviewer:
„Beschränkt sich der Wirkungsbereich der Umwelt-Bibliothek nur auf Berlin, oder könnte man erste, ja, auch weitergreifende Wirkungen registrieren?“W. Rüddenklau:
„Na ja, wir haben in Zusammenhang mit unseren Infoblättern, aber auch mit bestimmten Themen, die wir bearbeiten – also etwa Alternativenergie –, Kontakte in die ganze DDR hinein, haben mit vielen Gruppen ständigen Dialog. Und ich denke, dass sich das auch ziemlich rasant erweitert. Für unser Verhältnis ist es wirklich erstaunlich, und keiner hätte das vor einem Jahr etwa gedacht.“Quelle: Radio Glasnost, November 1987