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Zion 86 - Samisdat_RHG_Fak_0002

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„Ich kann nur lieben, was ich Freiheit habe auch zu verlassen“: Auf der Schreibmaschine werden verbotene Biermann-Texte mit Durchschlagpapier vervielfältigt. In dieser einfachen Form reicht man sich die Texte von Hand zu Hand weiter. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
„Ich kann nur lieben, was ich Freiheit habe auch zu verlassen“: Auf der Schreibmaschine werden verbotene Biermann-Texte mit Durchschlagpapier vervielfältigt. In dieser einfachen Form reicht man sich die Texte von Hand zu Hand weiter. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft


Abschrift:

Auf der Schreibmaschine mit Durchschlagpapier verfielfältigte verbotene Biermann-Texte

Gedichte Biermann

Ach Freund, geht es nicht auch Dir so ?
Ich kann nur lieben, was ich Freiheit habe, auch zu verlassen:

dieses Land
diese Stadt
diese Frau
dieses Leben

Eben darum lieben ja
wenige ein Land
manche eine Stadt
viele eine Frau
aber alle das Leben.

Tischrede des Dichters im zweiten mageren Jahr

Ihr, die ihr noch nicht ersoffen seid, Genossen
Im Schmalztopf der privilegierten Kaste
Ach, wie lange schon lag ich euch nicht in den Ohren !

Wenn durch den nächtlichen Fernsehhimmel
Die obligaten Kastraten in eure Kanäle schiffen
Wenn auf euren erblindeten Bildschirmen
Die keimfreien Jungfrauen flimmern
Wenn die Sandmännchen vom Dienst durch die Röhre
Die euch verordneten Schlaftabletten reichen
Das alles noch mag hingehen, Genossen, aber:

Wenn sie euch abfüttern mit ihren verfluchten
Ideologischen Wassersuppen, die feisten Köche
Dann quält mich doch, ich gebe es zu, Heißhunger
Nach eurem Hunger, Genossen, auf schärfere Sachen:
Stück Fleisch in die Zähne. Wollet euch erinnern:
Fast fettlos gebraten, das Salz erst zuletzt dran
Damit nicht auslaufen die himmlischen Säfte
Dazu mein Salat mit gehörigen Mengen an
Cayenne-Pfeffer, der lang nach dem Essen
Den Gaumen noch foltert, Zitrone und Knoblauch
Im Dampf des Olivenöls schwimmen geschlachtet
Die roten Tomaten Arm in Arm mit den Gurken
Zur Hochzeit in knackigen Kähnen des grünen Salats
Und Salz und Salz! Die Weisheit gestorbener Meere:
Das wohlschmeckende, das ungesunde Salz !
Und ! Wie wir dann lässig die Milch in uns schütten
Die sanfte, die gute aus bauchigen Bechern !
Da könnt ihr was lernen, ihr Arschlöcher !

O wollet, Freunde, euch bitte erinnern:
Es munden dem Volke die fetten Ochsen
Seit je in der P f a n n e !
Nicht aber im A m t e !

Unter uns gesagt: Startet denn wirklich unser nächstes
Größeres Freßgelage, Genossen
Erst beim Leichenschmaus ?!
Am Grabe der Revolution ?!

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