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'And You Don't Stop' - HipHop in der DDR


HipHop ist eine der letzten Jugendkulturen, die sich in der DDR ausbreiten. Von 1983 bis 1990 existiert eine kleine aber unübersehbare Szene, die mit Breakdance, Rap, Graffiti und DJing den SED-Staat vor große Herausforderungen stellt. Mal geben sich die Jugendlichen politisch, mal unpolitisch, von außen aber werden sie immer politisiert.

Die HipHop-Welle

Die ersten HipHop-Sounds aus Amerika schwappen durch die Rundfunkwellen über den Eisernen Vorhang. RIAS, NDR und BR spielen Charts mit Rap-Songs, dem Soundtrack für einen neuen Tanz: Breakdance. Die passenden Bilder dazu liefert Thomas Gottschalks Sendung „Na Sowas“, und danach rollt eine HipHop-Welle durch das Land. Überall in der DDR, zuerst in größeren Städten mit Westempfang, schnell aber auch in kleineren Städten und dem „Tal der Ahnungslosen“, schließen sich nun B-Boys und Rapper zu Gruppen zusammen, die auch in der Öffentlichkeit breaken und rappen. Volkspolizei und Staatssicherheit sind sich zunächst unsicher, wie sie mit dieser neuen Jugendkultur umgehen sollen, und lösen öffentliche Auftritte grundsätzlich auf. Sie verweisen die Jugendlichen an die Kulturorganisationen, bei denen sie eine offizielle Förderung ihrer HipHop-Kultur erhalten können.

Beat Street

Am 14. Juni 1985 feiert der amerikanische HipHop-Film „Beat Street“ seine Premiere in der DDR. Auf einen Film wie diesen haben die jungen Fans nur gewartet: Die bunten Bilder der Breakdance-Bewegungen, DJ-Mixes, gereimten Raps und Graffiti-Styles, gepaart mit Auftritten echter Stars, faszinieren sie und motivieren sie zum Nacheifern. „Beat Street“ wird zur Erfahrung der HipHop-Generation in der DDR schlechthin.

Szenen und Events

Zwischen Rostock und Görlitz, Wolgast und Dessau vernetzen sich nun die regionalen Szenen miteinander. Neben privaten Besuchen finden auch offizielle HipHop-Veranstaltungen statt, die zwar formell vom Staat organisiert sind, aber auf die Initiative von HipHoppern zurückgehen, die sie auch inhaltlich prägen. So findet in Leipzig von 1985 bis 1989 der Leipziger Breakdance-Workshop statt, auf dem sich die besten Gruppen der Republik miteinander messen und Erfahrungen austauschen und auf dessen Ableger Leipziger Championship der 22-jährige Hahny im November 1988 als bester Solotänzer der DDR gekürt wird. Für Rapper und Graffiti-Künstler spielt der von TJ Big Blaster Electric Boogie organisierte Rap-Contest in Radebeul eine große Rolle.

Kontrollstrategien

HipHop in der DDR ist nicht verboten. Seine Ausübung soll aber kontrolliert, überwacht und gegebenenfalls, also z. B. bei nicht angemeldeten Auftritten in der Öffentlichkeit, eingedämmt werden. Staat und SED erfinden Strategien, mit denen sie HipHop fördern und gleichzeitig in die gewünschten Bahnen lenken wollen. Dazu gehören sowohl offizielle Einstufungen als Künstler, die es den HipHoppern erlauben, zu Veranstaltungen gebucht zu werden, als auch Partnerorganisationen, die als Sponsor das Training ermöglichen, aber auch Verhaftungen und Einschüchterungen von Volkspolizei und MfS. Formell mögen die staatlichen Akteure HipHop ihren Stempel aufdrücken. Doch entziehen sich die Bedeutungen, mit denen die Jugendlichen HipHop belegen, jeglicher Steuerung, wie es die Beispiele von TJ Big Blaster Electric Boogie und Jörg Pribbenow aus Rostock zeigen.

Ausklang

Viele Gruppen lösen sich nach dem Mauerfall auf. Einzelne Mitglieder suchen ihre Zukunft im Westen, die staatliche Förderung von Kultur entfällt. Die Szene macht in der Phase nach der Wiedervereinigung ein Tief durch. Doch viele Gruppen finden nach einer Orientierungsphase wieder zusammen, einzelne Akteure sind auch heute noch aktive HipHopper, beruflich wie auch privat. Ihre Erfahrung mit HipHop in der DDR, sagen sie, habe sie gelehrt, sich selbst in Szene zu setzen – eine gute Vorbereitung für das Leben in einer kapitalistischen Gesellschaft.

Zitierempfehlung: „HipHop in der DDR“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145417

 
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