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Hände weg von Prag!
Langhaarige, Beatfans und Gammler
Die DDR-Medien ziehen gegen die Beatfans zu Felde.
Die DDR-Medien ziehen gegen die Beatfans zu Felde.
„Die Amateur-Gammler“: Die DDR-Medien ziehen gegen die Beatfans zu Felde. Langhaarige werden als Staatsfeinde und Kriminelle abgestempelt.
Quelle:
Neues Deutschland, 17. Oktober 1965, S. 12
Abschrift:
Sie waschen sich nicht und stinken, ihre zottlige Mähne ist verfilzt und verdreckt, sie gehen der Arbeit und dem Lernen aus dem Wege
Die Amateur-Gammler
Von Max Stiller
Hand aufs Herz: Erfreuen Sie sich nicht auch am Anblick hübscher Mädchen und Jungen? Adrett und chic gekleidet, gut frisiert – manche Mädchen haben leicht Rouge aufgelegt - , so schlendern sie durch die bewegten Straßen unserer Stadt. Sie wollen gefallen – nicht nur sie ihm, er ihr oder schlechthin dem anderen Geschlecht, nein, allen Menschen. Sie wollen selbst schön und gesund sein – zur eigenen Freude, zur Freude anderer.
Freilich ist unsere Jugend unterschiedlich. Die einen sind Draufgänger, andere vorsichtig. Es gibt ganze Kerle und Kleinmütige, Helden und Spießbürger. Und dennoch ist ihnen eines gemeinsam: Sie, die oft nicht älter als ihr Staat, stehen zu ihrem Staat, sind ein Teil von ihm und repräsentieren ihn. Das mussten westdeutsche und andere kapitalistische Zeitungen zum Deutschlandtreffen unumwunden eingestehen. Für sie war die Jugend der DDR die große Entdeckung.
Das moralische Antlitz
Das ist das moralische Antlitz unserer Jugend: sauber, selbstbewusst, stolz – auf ihre Leistungen, auf ihr Wissen, auf ihre Verantwortung, die man ihr aufgetragen hat.
Aber es gibt einiges, was dabei stört:
"Mitesser"
Ein hübsches Mädchen oder ein frischer Junge ärgert sich über einen Pickel auf der Nase oder über Mitesser im Gesicht. Verständlich.
Die Jugend unserer Republik ärgert sich auch über "Mitesser", die das Antlitz der Jugend verunstalten und den weit über die Grenzen der DDR bekannten guten Ruf unserer Jugend beflecken: die Amateurgammler. Das sind junge Menschen, die Helden zu sein wähnen, indem sie die Gammler westdeutscher Prägung nachahmen, die dort auf Straßen und Plätzen herumlungern, herumpöbeln und herumrempeln.
Ihr Anblick bringt das Blut vieler Bürger in Wallung: verwahrlost, lange, zottlige, dreckige Mähnen, zerlumpte Twist-Hosen. Sie stinken zehn Meter gegen den Wind. Denn Waschen haben sie "freiheitlich" aus ihrem Sprachschatz gestrichen. Und von einer geregelten Arbeit halten die meisten auch nichts.
Romantisch ? – Widerlich !
Was bezwecken sie damit? Sie möchten auffallen. Das tun sie auch. Sehr unangenehm. Sie benehmen sich wie die Axt im Walde, als seien sie von der Waldbühne herübergeweht worden. Manche denken, gammelnd und beatelnd durch die Stadt oder das Land zu ziehen, Mädchen und ältere Bürger belästigen sei ja etwas Neues, Besonderes, Außergewöhnliches. Sie seien dann nicht so wie alle anderen. Und weil sich alle Menschen waschen und sich die Haare schneiden lassen, so glauben sie eben das Gegenteil tun zu müssen. Sie möchten gegen Schematismus auftreten und unterliegen einem neuen Schematismus "Made in Western Germany".
Die Jugend hat einen Hang zur Romantik. Das ist gut so. Diese Romantik ließ die Jugend neue Talsperren und Städte bauen, die Wische fruchtbar machen und Tausende Mädchen und Jungen in die Landwirtschaft der nördlichen Bezirke fahren. Eine echte sozialistische Romantik der Freude am Schaffen für das Glück der Nation, für die neue Gesellschaft. Doch dieses Gammlerwesen ist nicht romantisch – sondern widerlich !
Weil Gammler und Jugendliche, denen jegliche Hygiene fremd ist, das moralische und soziale Antlitz der Jugend stören, greift sie vielerorts zur Selbsthilfe. Beispielsweise die FDJ-Leitung der 10. Klasse in der Ernst-Wildangel-Oberschule in Berlin.
Die Klassenlektion
Dort wurde einem Schüler eine Klassenlektion erteilt, wie man sich anständig benimmt. Die "Rolling Stones", jene Beat-Gruppe, die die Waldbühne in Ekstase brachte, waren sein Idol. Gegenüber der Lehrerin benahm er sich vulgär, die Klasse wurde vom Lernen abgelenkt.
Und die Klasse handelte ! Als er der Aufforderung, sich die Haare schneiden zu lassen, nicht nachkam, besorgten das seine Klassenkameraden – bei dieser langen, fettigen, strähnigen Mähne nicht ohne Ekel. Inzwischen hat dieser Schüler einen sauberen Messerformschnitt. Bei der Lehrerin hat er sich entschuldigt, und er lernt wieder.
An einer anderen Berliner Oberschule gab es einen "Leitgammler". Waschen erschien ihm zu gewöhnlich, die Haare wurden weder geschnitten noch gekämmt. Der Schüler roch nicht, er stank. Vielleicht war er deshalb als Leitgammler prädestiniert ? Einige FDJ-Mitglieder halfen dem ab. Nach dem Motto "Greif zur Seife, Kumpel" wurde er geschrubbt und seinem Kopf ein menschenwürdiges Aussehen gegeben.
Nicht mit Zentimetermaß
Man verstehe uns richtig: Es geht nicht darum, ob die Haare zehn oder zwanzig Zentimeter lang sind. Und nichts liegt uns ferner, auf alle Jugendlichen mit etwas längeren Haaren mit dem Finger zu zeigen.
Die Geschmäcker sind verschieden. Ich kenne viele hübsche Mädchen, die würden sich für Jungen mit langen Mähnen "bedanken". Anderen gefällt es vielleicht.
Was uns stört sind nicht lange Haare schlechthin, vielmehr dass einige Jugendliche völlig zerlumpt einherlaufen, mit ihren dreckigen, verschwitzten und wilden Haaren, mit ihrem Gestank unsere Atmosphäre verpesten.
Es geht um den Dreck !
Es geht uns um den Dreck ! Und darum, dass diese Jugendlichen faul sind, nicht lernen und nicht arbeiten !
Die Frisur ist nicht das alleinige Spiegelbild des Charakters eines Menschen. Deshalb wäre es falsch, einen Jugendlichen allein danach zu beurteilen. Wertmesser sind vielmehr seine Leistungen in der Produktion, sein Verhalten zum Kollektiv, seine Einstellung zum Staat. Wir beurteilen ihn danach, ob er ein ganzer Kerl ist und sich nicht im Takt vergreift ! Gegenüber seinen Eltern, dem anderen Geschlecht, dem Meister und Lehrer.
Heute gammeln sie.
Und morgen ?
Was macht ihr solch ein Gedöns um die paar Gammler, werden manche Leser sagen. Ganz einfach deshalb, weil wir den Anfängen wehren wollen ! Weil diese durch westliche Einflüsse irregeleiteten jungen Menschen nicht nur sich, sondern uns allen schaden, weil aus diesen Jugendlichen in unserer Gesellschaft etwas werden könnte. Werden nicht auch sie zu jener Generation gehören, auf der um 2000 die Verantwortung lastet ? Werden nicht auch sie Familien gründen und ihre Kinder erziehen ? – In einem sozialistischen Deutschland.
Würden wir nicht eines Tages Vorwürfe erhalten, weil wir uns nicht rechtzeitig um sie gekümmert, sie nicht auf die Straße geführt zu haben, auf der alle Wegweiser in Richtung Sozialismus-Kommunismus zeigen ?
Und nicht zu vergessen: Heute gammeln sie. Und morgen ?
Vergiftete Köder
Eine der Hauptspielarten des Imperialismus in seinem teuflischen Hass gegen den Sozialismus ist die Spekulation, die Jugend der DDR demoralisieren zu können. Er knüpft an die Abenteuerlust, den Erlebnisdrang der Jugend an und serviert oft in einer anziehenden Verpackung von heißen Rhythmen, aufpeitschender Musik oder Sexliteratur, Rowdytum, Dekadenz und Demoralisierung.
Einige Jugendliche, die die raffinierten Tricks der Imperialisten nicht durchschauen, beißen an diesen vergifteten Köder an, der ihnen zugeworfen wird.
Die moralische Zersetzung wird leicht zur politischen Zersetzung ! Der Übergang vollzieht sich oft sehr schnell.
Wir bauen den Sozialismus im erbitterten Kampf der beiden Ideologien auf. Auge in Auge mit einem Feind, der nichts unversucht lässt, die DDR wieder zu schlucken. Die Situation in Europa und in der Welt hat sich verschärft. In Vietnam fallen Bomben ! Und wir, die Bürger der DDR, die Partei und die Staatsmacht haben die Verpflichtung, rechtzeitig Provokationen zu verhindern und alle latenten Gefahren.
Quelle: Neues Deutschland vom 17. Oktober 1965, S. 12
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