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Zeitungsartikel: Beatmusik als „Nervengift des Klassenfeindes“

Beatmusik als „Nervengift des Klassenfeindes“: Nach einem Konzert der Rolling Stones am 15. September 1965 zerlegen aufgebrachte Teenager die Westberliner Waldbühne zu Kleinholz und randalieren anschließend in der S-Bahn. Die DDR-Medien, allen voran...
Beatmusik als „Nervengift des Klassenfeindes“: Nach einem Konzert der Rolling Stones am 15. September 1965 zerlegen aufgebrachte Teenager die Westberliner Waldbühne zu Kleinholz und randalieren anschließend in der S-Bahn. Die DDR-Medien, allen voran das SED-Zentralorgan Neues Deutschland, entfachen daraufhin eine gigantische Propagandaschlacht gegen die Beatfans im eigenen Land. In den Augen der SED-Führung muss die DDR-Jugend vor dem Beat geschützt werden. Im Bild: ein Artikel der Bild-Zeitung, der im Neuen Deutschland veröffentlicht wird.
Quelle: Neues Deutschland. 17. September 1965, S. 4

Abschrift:

350 POLIZISTEN MIT HUNDEN

und auf Pferden, fünf "Rollende Steine" und 21.000 Jugendliche lieferten sich am Mittwoch in der Westberliner Waldbühne eine Schlacht. Es gab 73 Verletzte. Die Hölle war los. Doch der Teufel saß in Sicherheit. Er rieb sich die Hände. Seine Saat der Gewalt war aufgegangen.

Axel Springers Hetzblätter hatten das Gastspiel der beliebten englischen Gitarristen wochenlang auf ihre Weise vorbereitet: "Außer Rand und Band", "Die fünf Jungen, die Millionen in Ekstase bringen", "Sicherheitsmaßnahmen der Polizei ungewöhnlich wie nie". Springers Schlagzeilen wurden während der "Rolling Stones"-Tournee durch Westdeutschland von Tag zu Tag fetter, brutaler und hysterischer. Schon am Montag sagte die Westberliner "BZ" die Schlacht vom Mittwoch voraus. Die Hüter der Erhardschen "Ordnung" provozierten systematisch die jugendlichen Anhänger der "Steine". Bereits vor Beginn einer Veranstaltung sah man Polizeitransparente: "Die Wasserwerfer stehen für Euch bereit!"

Viele Mädchen und Jungen ließen sich verhetzen und provozieren. Sie haben kein Wahlrecht. Sie haben im Alltag der Monopolherrschaft und Notstandsdiktatur nichts zu sagen. Lübke bietet ihnen Zwergschulen statt Lebensziele. Erhard hat nur einen "Marschallstab" für sie bereit. Es ist kein Wunder, dass sich diese Mädchen und Jungen in Szene setzen und auch einmal im Mittelpunkt stehen wollen.

Doch die fachmännisch inszenierte Massenhysterie dient niemals der Jugend, sondern der Kriegsvorbreitung. Die Schlacht in der Waldbühne soll auf lebensgefährliche Schlachten vorbereiten. Es geht um das bekannte Marschieren, "bis alles in Scherben fällt". Vernebelte Köpfe und nackte Gewalt waren schon immer die besten Bundesgenossen derer, die Deutschlands Jugend in zwei Weltkriege trieben. Und wenn Springers "Bild" die verführten Jugendlichen jetzt "Mob" nennt, dann sollte er wissen, dass es heute beiderseits der Elbe schon genug kluge und klarblickende junge Menschen gibt, die ihm eines Tages die Rechnung präsentieren werden. Hawe



Ausriss aus der BILD Zeitung vom 16. September 1968, des Artikels von Marianne Koch "Ich saß in der Hölle".


"Ich saß in der Hölle"
Von Marianne Koch


Zitat:

"Ich kenne jetzt die Hölle. Mein Beruf hat mich gelehrt, ziemlich tapfer zu sein. In der Waldbühne habe ich in der vergangenen Nacht das Fürchten gelernt. Eine tosende, entfesselte Masse juchzt. Drängende, trampelnde, stampfende Leiber an den Eingängen. Wer keine Ellenbogenkraft hat, wurde fast zerquetscht.

[...]

Der Mob beherrscht die Waldbühne. Sie zerhacken die Bänke, prügeln sich mit den Polizisten, reißen Laternenmasten um und gehen schließlich gegeneinander los. Laufend werden Verletzte abgefahren. Das ist das Ende der "Stones". Es war gespenstisch. Ich kenne jetzt die Hölle."


Quelle: Neues Deutschland vom 17. September 1965, S. 4

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