Kathrin Mahler Walther - Aktion für die Demokratiebewegung in China
Zum Anschauen des Videos benötigen Sie Javascript oder Flash
Abschrift
Am letzten Tag des offiziellen Kirchentages fand dann im Leipziger "Scheibenholz" ein Abschlussgottesdienst statt. Da sind einige von uns hingegangen zu diesem Abschlussgottesdienst und haben dann dort auf dem Rasen ein Transparent geschrieben und entrollt, auf dass sie die chinesischen Schriftzeichen für Demokratie gesetzt haben. Und wir haben dann versucht, mit diesem Plakat vor zur Bühne zu kommen, um auf unsere Themen und auf den Kampf für Demokratie und Freiheit und Menschenrechte in der DDR aufmerksam zu machen. Der Kirchentag fand relativ kurz nach der Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen Platz statt, und wir alle standen sehr unter dem Eindruck dieser blutigen Niederschlagung dieser absolut friedlichen Proteste. Man muss auch dazu wissen, dass in Zeiten von Glasnost in der Sowjetunion und Solidarnosc in Polen trotzdem die DDR-Führung zu dem Zeitpunkt in den Zeitungen geschrieben hat, dass das Vorgehen der chinesischen Regierung richtig war und dass sie ihrerseits in der DDR jederzeit genauso handeln würden. Das heißt, das hat uns natürlich alle aufgerüttelt und große Angst gemacht, denn wir hatten zu dem Zeitpunkt schon viel Hoffnung gesetzt auf Gorbatschow, Glasnost, Perestroika, dass sich auch bei uns Veränderungen entwickeln würden. Und das hat eigentlich alle Hoffnung zunichte gemacht. Deswegen diese chinesischen Schriftzeichen für Demokratie. Die standen wirklich für die Bewegung. Und dann haben uns die kirchlichen Ordner sehr entschieden von der Bühne gedrängt und haben dafür gesorgt, dass wir eben nicht auf diese Bühne gehen konnten, um dort im Anschluss an den Gottesdienst noch was zu sagen. Das hat bei den Menschen, die mit diesem Protest-Schild gelaufen sind, so viel Ärger und Widerstand hervorgerufen, dass wir nicht mal in diesem kirchlichen Rahmen nach dem Abschlussgottesdienst, als alles gelaufen war, auf die Bühne gehen konnten. Wir haben uns dann entschieden, in die Innenstadt zu laufen und das Gelände dieser kirchlichen Veranstaltung zu verlassen. Dieser kleinen Gruppe um dieses Plakat haben sich dann ganz viele Menschen aus der Kirchentags-Gemeinde angeschlossen und sind dann mit uns gemeinsam in die Leipziger Innenstadt gelaufen. Wir hatten alle solche Bänder, die haben wir dann alle zusammen geknüpft und über uns wie so ein Netz gehalten, sodass uns dieses Band verknüpft hat miteinander. Wir hatten das Plakat in unserer Mitte, in diesem Netz und sind dann so in die Stadt gelaufen. Und das Besondere daran war: in der Regel blieben wir als Basisgruppen unter uns. Also es haben sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht viele Menschen angeschlossen über unseren Kreis hinaus. Das war einer der wenigen Momente, wo viele Menschen, die sonst nicht mit den Basisgruppen im Kontakt waren, sich spontan angeschlossen haben und mit uns in die Innenstadt gelaufen sind. Und deswegen war das für uns ein wirklich ganz besonderer Moment, der natürlich auch von viel Angst besetzt war. Auf unserem Weg in die Innenstadt stoppte plötzlich eine Straßenbahn vor uns. Es sprangen Leute raus, entrissen uns gezielt dieses Plakat, rannten zurück in die Straßenbahn. Der Schaffner machte die Türen zu. Wir kamen also an das Plakat nicht mehr ran, waren von dieser Aktion völlig überrascht. Das wiederum zeigte uns: man weiß sehr genau Bescheid, was wir hier tun. Die Kunde ist also schon so weit gedrungen, dass man hier gezielt Stasi-Leute auf uns ansetzt, um uns das Plakat zu entreißen. Wir haben dann eine Sitzblockade vor der Straßenbahn gemacht, aber konnten damit nichts erreichen und haben uns dann irgendwann entschieden, weiter zu ziehen in die Innenstadt. Und dann tauchten irgendwann vor uns die Polizeiabsperrungen auf. Dann haben wir uns entschieden abzubiegen in eine der Kirchgemeinden, deren Namen ich leider gerade nicht parat habe, aber die da auf dem Weg in die Innenstadt war. Dann sind wir dort in diese Kirchgemeinde eingebogen und haben dann dort eine Art Abschlussandacht durchgeführt und haben dann von dort aus die Leute nach Hause geschickt und gebeten, sich in kleinen Gruppen aufzulösen. Darüber haben zu diesem Zeitpunkt ganz viel Rainer Müller und ich uns verständigt. Ich habe dann diese Abschluss Andacht gehalten und gesagt: zerstreut euch jetzt, geht in einzelnen Gruppen nach Hause. Wir hatten vorher mit dem Pfarrer der Gemeinde gesprochen, der wiederum mit dem Bischof gesprochen hat und uns zugesichert hat, dass wir, wenn wir die Demonstrationen jetzt auflösen, auch frei nach Hause kommen können.