d

Kathrin Mahler Walther - Demonstration am 9. Oktober 1989 in Leipzig, Teil 1 / 2

  • 00:00:00 | 00:00:00
::
  • Projekktor V1.3.09

Abschrift

Im September und Oktober 1989 wurde die Montagsdemonstration Montag für Montag größer. Nach dem Messe-Montag, nach den 25.000 schwoll das dann immer weiter an. Das spitzte sich zu auf den 9. Oktober hin. Es war klar, die Situation in der Stadt ist extrem angespannt. Am 2. Oktober war schon eine riesengroße Demonstration und es war klar, das wird sich jetzt irgendwie entscheiden: Ob noch mehr Menschen kommen und wir durchgelassen werden oder ob geschossen wird. Überall ging die Kunde vom Schießbefehl um und wir haben dann an dem Wochenende zusammengesessen (Arbeitsgruppe Menschenrechte, Arbeitskreis Gerechtigkeit, Roland Quester von der Arbeitsgruppe Umweltschutz) und überlegt, was können wir tun, um die Menschen zur Gewaltfreiheit aufzurufen. Wir hatten natürlich wahnsinnige Angst vor einem Blutbad wie es in Peking passierte mit der Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen Platz. Wir haben uns dann entschieden einen Aufruf zu verfassen, den wir überschrieben haben mit "Keine Gewalt". Indem wir auch geschrieben haben "Wir sind ein Volk", die, die auf der einen Seite stehen, die auf der anderen Seite stehen, "Wir sind ein Volk" und bitte keine Gewalt! Dieses Flugblatt haben wir dann am Montag, also in der Nacht von Sonntag auf Montag, in 25.000er Auflage gedruckt und dann montags überall verteilt in der Stadt. Gleichzeitig haben wir uns überlegt, wo können wir uns strategisch gut positionieren, um die Vorgänge zu beobachten und sicher zu stellen, dass die Informationen darüber aus der Stadt rauskommen. Es war klar, es war kein Messe-Montag, es wird kein Journalist da sein. Niemand wird das hier vor Ort dokumentieren können. Wir müssen also dafür sorgen, dass die Info rauskommt. Und dann haben wir alle miteinander überlegt. Einer zum Beispiel hatte sich mehrere Hochhäuser ausgeschaut, die in der Nähe der Nikolaikirche sind, von denen aus man den Zug sehen konnte, auf dem Ring. Dort hat er überall geklingelt und angefragt, ob er sich da in eine Wohnung stellen könnte. Er wurde aber überall abgewiesen. Ich wiederum hatte die Idee, mich in der Reformierten Kirche, in der Kanzlei, zu positionieren. Ich kannte ja die Reformierte Kirche sehr gut, das war ja meine Gemeinde und ich hatte eben auch einen sehr guten Kontakt zu Pfarrer Sievers dort. Den habe ich am Morgen besucht und gefragt, ob das vorstellbar wäre, dass ich mich am Abend in die dunkle Kanzlei stelle und dort geheimen Posten beziehe, um die Montagsdemonstrationen zu beobachten und dann per Telefon an die Lukaskirche zu melden. Dem hat er zugestimmt und danach bin ich dann wieder zurück in die Lukaskirchgemeinde. Wir hatten natürlich noch wahnsinnig viel zu tun und abzusprechen, Flugblätter zu verteilen etc. und waren dann noch in der Stadt unterwegs, um weiter nach guten Möglichkeiten Ausschau zu halten, wo wir uns positionieren konnten.
auf Twitter teilen auf Facebook teilen Kommentieren Drucken Artikel versenden