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Kathrin Mahler Walther - Oppositionelle Netzwerke



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Abschrift

Um diesen Sprecherkreis herum wurde ein sehr großes und sehr fluides Netzwerk aufgebaut. Viele Menschen, die uns punktuell unterstützt haben, die aber nie die Gesamtheit der Informationen hatten, so dass wir sicherstellen konnten, wenn jemand von denen festgenommen wird, können die nicht besonders viel sagen, womit die Stasi etwas anfangen könnte. Jeder Sprecher, jede Sprecherin hatte ein Netzwerk, an die sie bestimmte Aufträge weitergegeben haben. Die Leute wussten aber nie, warum was. Die haben gesagt: Ich will euch gerne unterstützen, ich will was tun. Aber ich kann aus verschiedenen Gründen heraus jetzt nicht in so einer Arbeitsgruppe mitmachen. Mein Bruder zum Beispiel, der für uns manchmal mit seinem privaten Trabi Samisdat aus Berlin nach Leipzig gebracht hat. Das konnte man ja nicht mit dem Zug schleppen, was wir da an Broschüren aus Berlin verteilt haben. Und der war so jemand, der hatte Familie, der konnte sich jetzt nicht in der Gruppe engagieren, aber der hat gesagt, punktuell mache ich so was. Und da war halt klar, die Stasi wird sein Auto wahrscheinlich nicht verfolgen, weil das kennen sie einfach gar nicht. Wir haben sehr bald angefangen, strategisch zu denken. Was müssen wir eigentlich tun, was sind wichtige Pflöcke, die wir einrammen müssen, also worauf wir achten müssen, damit wir auch eine Wirksamkeit kriegen in diesem System. Dazu gehört, dieses informelle Netzwerk um uns herum aufzubauen. Dazu gehörte, ein Netzwerk in der DDR aufzubauen und davon wegzukommen, dass Berlin als Zentrum der oppositionellen Bewegung oder der Bürgerbewegungen wenig Information aus dem Rest der Republik hatte. Wir haben dann angefangen, jeden Monat ein Vernetzungstreffen in Leipzig in der Markuskirchgemeinde durchzuführen, wo ganz viele Gruppen aus allen Teilen der DDR damals gekommen sind und berichtet haben, an welchen Themen sie gerade dran sind, wo es bei ihnen gerade Schwierigkeiten gibt, wo Zuführung erfolgten etc. Das haben wir dann immer weitergegeben. Es war immer ein Vertreter der Initiative Frieden und Menschenrechte aus Berlin da. Das war ein weiterer Punkt: diese Vernetzung in Berlin. Ein nächster Punkt war der systematische Aufbau von Kontakten zu West-Journalisten. Da waren wir uns mit Christoph Wonneberger nicht immer einig, aber für uns war das ein ganz wichtiger Punkt im Arbeitskreis Gerechtigkeit. Das war einerseits Kommunikation in die DDR hinein. Nur wenn wir die Information dahin gekriegt haben, konnten sie die Menschen in der DDR erfahren. Und zum anderen war es natürlich unser Schutz. Wenn jemand von uns festgenommen wird, wie zum Beispiel im Januar 1989 nach der Luxemburg-Liebknecht-Demo, dann muss diese Information auf ganz schnellem Kanal an die Journalist_Innen gehen, damit die das weitergeben können. Und dafür müssen die vorbereitet sein. Die müssen wissen, wie wir in Leipzig arbeiten, wer wir eigentlich sind und warum das jetzt wichtig ist etc. Das waren so eine ganze Menge Punkte, über die wir uns viel Gedanken gemacht haben. Nicht nur einem Impuls folgend zu sagen, wir müssen hier was ändern, das geht so nicht mehr weiter, wir machen jetzt die Aktion und die Aktion, sondern wirklich darüber hinaus auch zu denken: Wie können wir wirklich mittelfristig eine Veränderung erreichen?
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