Kathrin Mahler Walther - Die Arbeit der Leipziger Basisgruppen
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Abschrift
So einen Kreis wie die Arbeitsgruppe Menschenrechte, das war ein loser Zusammenschluss von Menschen, die gesagt haben "Wir wollen uns hier gerne einbringen". Niemand hat da ein Mitgliedsbuch oder ähnliches, sondern man sagte: Ja klar, hier gehöre ich dazu und hier gehe ich jeden Donnerstag hin und treffe mich abends in der Kirchgemeinde. Und das Wichtige war, dass wir durch die Anbindung über Christoph Wonneberger an die Lukaskirchgemeinde auch die Räume hatten. Das hat es für uns weniger gefährlich gemacht, als wenn man sich als Gruppe formiert hat, wie das zum Beispiel beim Arbeitskreis Gerechtigkeit der Fall gewesen ist, die bewusst von vornherein darauf verzichtet haben, so eine kirchliche Anbindung zu haben. Dann war man nämlich darauf angewiesen, sich in Privaträumen zu treffen, und man hatte keinen Schutz vor dem Zugriff des Staates. Währenddessen die kirchlichen Räume eine gewisse Immunität genossen haben. Ich muss gestehen, ich weiß nicht, wie das formal ist, ob man als Staatssicherheit in einem kirchlichen Raum einfach so eine Hausdurchsuchung durchführen konnte. In dem Privatraum konnte man das aber eben auf jeden Fall. In die Kirche sind die nicht einfach reingekommen und haben eine Versammlung aufgelöst. Eine Versammlung auf der Straße oder in der Wohnung, die konnte jederzeit aufgelöst werden. Wir waren insofern immer auch angebunden an christliche Religion. Wir mussten auch unsere Inhalte immer in Verbindung setzen mit der christlichen Religion, damit es überhaupt auch gerechtfertigt war. Natürlich wurde immer wieder versucht, diese Basisgruppen auch zu diskreditieren und dem Kirchenvorstand der Lukaskirchgemeinde immer wieder auf informellem Wege an die Mitglieder heranzutragen, dass diese Arbeitsgruppe Menschenrechte doch keine kirchliche Gruppe ist. Der Gemeindekirchenrat war letztlich unser Aufseher. Der hätte verbieten können, dass wir uns da treffen in der Lukaskirchgemeinde. Da gab es schon Bestrebungen diesen Kreis wieder aufzulösen. Das hat zum Glück nie geklappt, aber es war für Christoph Wonneberger wirklich ein starker Kampf den Gemeindekirchenrat bei sich zu behalten. Von dieser Art von Gruppen, hatten sich zu diesem Zeitpunkt schon einige gebildet, viele in Berlin, aber auch in vielen anderen Städten in der DDR. Oft rund um das Thema Umweltschutz. Das war so ein Punkt. Dann gab es die Frauen für den Frieden, eine der wenigen wirklich DDR-weit organisierten Gruppierungen. Es gab andere Gruppen, die sich rund um das Thema Wehrersatzdienst und Wehrdienstverweigerung gebildet haben, so wie die Arbeitsgruppe Menschenrechte. Es gab Gruppen, denen es tatsächlich um das Thema Menschenrechte, Demokratie und Freiheit ging. Das war in Berlin die Initiative Frieden und Menschenrechte. In dieser Tradition von Charta 77 und Solidarnosc verstand sich auch der Arbeitskreis Gerechtigkeit. Der wurde gegründet von mehreren Theologiestudierenden aus dem Leipziger Konvikt, die in dieser kirchlichen Ausbildungsstätte Theologie studiert haben und das auch erst mal so ein Stück weit als Anbindung nehmen konnten, die aber von vornherein losgelöst von der Kirchgemeinde agieren wollten, weil sie selbst diese Art von Oberaufsicht und Abhängigkeit von einem Gemeindekirchenvorstand nicht mehr wollten, sondern genau da raustreten wollten.