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Kathrin Mahler Walther - Jugendweihe



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Abschrift

Zur Jugendweihe sind damals alle Kinder meiner Klasse gegangen. Das war das Jugendinitiationsritual des real existierenden Sozialismus DDR. Das heißt, dass man mit 14 im Frühjahr des Jahres dann gemeinsam eine Feier gemacht hat, wo auch der Direktor der Schule anwesend war, oft auch jemand von der Bezirksparteileitung. Das fand bei uns in der "Musikalischen Komödie", also in einem Theater statt. Dann standen die Jugendlichen da auf der Bühne, wurden beglückwünscht dazu, dass sie jetzt ins Erwachsenenleben eintreten. Kriegten ein großes Buch vom Sinn des Lebens überreicht, in dem ganz viel darüber drin stand: Wie verhalte ich mich als sozialistische Bürgerinnen und Bürger? Und dem voraus gingen Jugendstunden, die man mit der Klasse gemeinsam absolviert hat. Wir waren mal im Rathaus in Leipzig und haben uns da die Aufgaben des Stadtrats erklären lassen. Also wir haben bestimmt auch unsere Patenbrigade mal besucht. Also wir haben dann verschiedene Nachmittage zusammen verbracht, wo wir so eine Art Schulungen gekriegt haben über verschiedene Institutionen der Gesellschaft. Das war eben die Vorbereitung auf diese Jugendweihe. In meiner Klasse haben tatsächlich alle die Jugendweihe gemacht und einige Kinder eben zusätzlich auch noch eine Konfirmation. Es war schon ein ziemliches Aufhebens drum, wenn jemand nicht die Jugendweihe machte, weil das eben, wie gesagt, auch eine Art Aufnahmeritual in die sozialistische Gesellschaft war. Wenn jemand das nicht gemacht hat, dann folgten da schon viele Gespräche, auch in der Schule, mit der Pionierleitung und dem Direktor etc. Für mich stand es gar nicht zur Debatte. Also für mich war trotzdem klar, dass ich Jugendweihe mache. Ich habe mich trotzdem noch als jemand verortet, die in diesem Land lebt. Nur ich wollte dieses Land verändern und ich habe gemerkt, das kann ich nicht als FDJ-Sekretärin, das ist für mich nicht stimmig. Aber Jugendweihe war in dem Sinne für mich tatsächlich unproblematisch. Ich fand es aber eben sehr gut, beides zu machen, weil in dem Moment wirklich beides auch absolut zu mir gepasst hat. Und insofern habe ich tatsächlich auch im selben Jahr, wenige Wochen später dann noch die Konfirmation gemacht.
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