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Zion 86 - Umweltblätter_RHG_Fak_0042
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Erste Ausgabe der Zeitschrift telegraph, dem Nachfolgeblatt der Umweltblätter (10. Oktober 1989). Die zweite Ausgabe erscheint bereits einen Tag später, die dritte am 15. Oktober, jetzt schon jeweils in einer Auflage von mehreren Tausend Exemplaren. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Abschrift:
Erste Ausgabe des „telegraph“, dem Nachfolgeblatt der „Umweltblätter“, vom 10.10.1989
t e l e g r a p h
Aktuelle Blätter der Umwelt-Bibliothek Berlin
Griebenowstraße 16, Berlin 1058
Reformunwillig
Der sowjetische Staatschef Gorbatschow hatte sich bereits am 6. Oktober bei Gesprächen mit jungen Leuten und Pressevertretern auf den Straßen indirekt für Reformen in der DDR erklärt. Wenn die Bürger es wollten, werde es auch in diesem Land eine Politik der Perestroika geben. Er habe Vertrauen, dass es Korrekturen geben werde. Bei der Festveranstaltung zum 40. Jahrestag der DDR am 6. Oktober führte Gorbatschow aus, die DDR habe ihre eigenen Entwicklungsprobleme. Er bezweifle nicht, dass die SED im Stande sei, in Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Kräften Antworten auf die Fragen zu finden, die durch die Entwicklung der DDR auf die Tagesordnung gestellt worden seien und ihre Bürger bewegten. Fragen, die die DDR betreffen, würden aber nicht in Moskau, sondern in Berlin beantwortet.
Honecker wußte darauf nur mit dem Hinweis auf den bewährten Kurs von langfristigen und tiefgreifenden Reformen zu antworten und beschuldigte die BRD, die Bürger der DDR durch eine zügellose Verleumdungskampagne verwirren zu wollen. Schon am Vormittag hatte Honecker gegenüber Journalisten das Vorhandensein eines Flüchtlingsproblems geleugnet und die Lage in Leipzig und Dresden als „normal“ bezeichnet.
Bei einem Gespräch mit Honecker am Nachmittag des 7. Oktober wurde Gorbatschow deutlicher. Nach Aussage des sowjetischen Regierungssprechers Gerassimow warnte Gorbatschow in Anwesenheit führender Politbüromitglieder: „Warten Sie nicht zu lange, sonst werden sie es bereuen!“ Er erläuterte die Fehler, die man in der SU in den siebziger Jahren begangen habe. Damals sei es klar gewesen, dass die UdSSR ihre Technologie revolutionieren mußte, wenn sie mit dem Westen Schritt halten wollte. Zu diesem Zweck habe die KPdSU ein Sonderplenum in Erwägung gezogen. Doch dazu sei es nie gekommen. Jetzt, ein Jahrzehnt später, sei dies zu bedauern. Erst in jüngster Zeit habe die KPdSU ein Sonderplenum zur Nationalitätenfrage verschoben, was dann dazu geführt hätte, dass das Nationalitätenproblem nur noch schlimmer geworden sei. Das Plenum im vergangenen Monat sei dann zu spät gekommen. Gorbatschow warnte, dem Regierungssprecher der UdSSR zufolge davor, dass Regierungen, die sich nicht den Tendenzen der Gesellschaft anpaßten, sich selbst in Gefahr brächten. Honecker sei aber, so Gerassimow, nicht in der Stimmung gewesen, solchen Bemerkungen Aufmerksamkeit zu schenken. Er habe von der Notwendigkeit gesprochen, den Lebensstandard in der DDR zu erhöhen.
ADN führte aus, Honecker habe betont, Hoffnungen auf bürgerliche Demokratie in der DDR bis hin zum Kapitalismus seien auf Sand gebaut.
Fluchtbewegung
Als ADN am 4. Oktober meldete, in Übereinkunft mit der CSSR habe sich die Regierung der DDR entschlossen, auch die Personen, die sich neuerlich wieder in der Botschaft der BRD in Prag aufhielten, über die DDR in die BRD auszuweisen (hauptsächlich aus menschlichen Erwägungen gegenüber den Kindern), konnte diese großmäulige nachträgliche Rationalisation nur noch einen peinlichen Eindruck hinterlassen.
Nach dem Abtransport der letzten 5.000 Botschaftsbesetzer durch die Deutsche Reichsbahn in den Westen war es sehr schnell zu neuen Aufläufen in den BRD-Botschaften in Prag und Warschau gekommen. BRD-Außenminister Genscher beeilte sich mit dem Wort von den „Nachzüglern“ eine ähnliche Lösung vorzubereiten. Die DDR-Regierung protestierte und verwies auf ein Abkommen, nach dem die BRD in ihren Botschaften keine neuen Flüchtlinge aufnehmen wollte. Genscher wies zurück: Es könne keine Verträge mit der DDR über die Botschaften der BRD in souveränen Staaten geben. Die BRD sei nicht für den Flüchtlingsstrom verantwortlich.
Ob nun tatsächlich, wie aus osteuropäischen Botschaftskreisen zu hören war, Gorbatschow im Falle des anhaltenden Problems der DDR die Absage seines Besuches zum 40. Jahrestag angedroht hat, bleibt ...
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