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18. November 1976. Bericht des Stasi-Spitzels mit dem Decknamen „Helmut Falke“ zu den Aktivitäten am 17. November 1976 anlässlich der Biermann-Ausbürgerung. Quelle: BStU, MfS, Ast. Gera 740/77, Bd. 3, Seite 2 von 3
Abschrift:
Bericht des Stasi-Spitzels mit dem Decknamen "Helmut Falke" zu den Aktivitäten am 17. November 1976 anlässlich der Biermann-Ausbürgerung.
Quelle: IMV „Helmut Falke“
erhalten: Gen. Lippoldt/Günther am 18.11.1976
Bericht zu den Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Wolf
B i e r m a n n am 17.11.1976
Gegen 18.00 Uhr besuchte ich den Thomas A u e r b a c h in der Maxim-Gorki-Str. 1/Hinterhaus. Wie ich zunächst von A u e r b a c h erfuhr, hat er nicht den Reiner K u n z e in Greiz besucht. Er sieht dies als nicht sinnvoll an. Ich legte ihm meinen Standpunkt zu möglichen Aktionen dar. Gleichzeitig informierte ich ihn über den neusten Stand in bezug auf die KPD-M/L-Verbindungssuche.
Er sagte mir, dass er das einzig Richtige darin sehen würde, eine Demonstration zu veranstalten. Er teilte mir auch weiterhin mit, dass er sich vor den Konsequenzen nicht scheuen würde. Ich versuchte ihm dies auszureden, damit, dass wir zu wenige wären. A u e r b a c h sagte mir, dass das möglich sei, ein paar hundert Leute aufzubringen. Ich legte ihm dar, dass trotzdem die Massenwirksamkeit nicht erreicht würde. Er gab mir in dieser Beziehung recht, dass hier in Jena bei einer solchen Demonstration die Publikation nicht gewährleistet wäre. Er vertritt deshalb den Standpunkt, dass solch eine Demonstration nur in Berlin einen Zweck haben kann, da man dort eine solche Demonstration nicht totschweigen kann. Man müsse sich hierzu sowohl am Ort mit den verschiedenen Leuten noch einmal intensiv beraten.
Anschließend gingen wir mit der (Name geschwärzt) zur Lesung des Jurek B e c k e r. Dabei gingen wir noch einmal kurz in die Gartenstr. (geschwärzt). Wir gingen von dort aus weiter zur (Name geschwärzt), um sie abzuholen. Ich ging mit dem (Name geschwärzt) direkt zum Klub der Intelligenz. Auf dem Weg dorthin erzählte mir der (Name geschwärzt), dass man bereits an alle bzw. an einige bekannte Gruppen Briefe gesandt habe, um sich mit ihnen über die Möglichkeiten im Fall B i e r m a n n zu konsultieren und um sie zu gemeinsamen Aktionen zu gewinnen.
Dort hatte sich schon der gesamte Lesekreis, verschiedene Vertreter der Jungen Gemeinde eingefunden. B e c k e r begann mit einer Stellungnahme zum Fall B i e r m a n n, indem er mitteilte, dass namhafte Schriftsteller und Künstler der DDR eine Protestresolution zur Ausweisung bzw. Aberkennung der Staatsbürgerrechte des B i e r m a n n sich geäußert haben. Sein Einverständnis für seine Unterschrift habe er ebenfalls fernmündlich gegeben.
Dies löste bei ca. 2/3 der Anwesenden Zustimmung aus. Lediglich eine Vertreterin der Sektion Philosophie der FSU verwahrte sich dagegen sowie auch ein Arbeiter. A u e r b a c h verließ dann die Veranstaltung und ging, wie wir später erfuhren, in das Kino.
B e c k e r wich konkreten Fragen weitestgehend aus. In der anschließenden Diskussion sprach ebenfalls der (Name geschwärzt) und der (Name geschwärzt). (Name geschwärzt) vertrat hier die Ansicht, dass die Erziehung unserer Jugendlichen in unseren Polytechnischen Oberschulen und während der Lehrzeit nicht den Anforderungen des tatsächlichen Lebens entsprechen. Er führte dazu kurz seinen eigenen Lebenslauf aus.
(Name geschwärzt) fragte nach der Stellung der B e c k e r zu einem Buch des Reiner K u n z e, wo dieser, so (Name geschwärzt) Meinung, sehr gut die Probleme der Erziehung und der Schwierigkeiten hier bei uns darlegt.
B e c k e r erklärte sich damit nicht einverstanden und vertrat die Ansicht, dass in diesem Buch, wie auch in anderen Schriften K u n z e s, dieser zu einseitig an bestimmte Probleme herangehen würde. (Name geschwärzt) fragte ebenfalls nach der Stellung des Jurek B e c k e r zum Ausschluß K u n z e s aus dem Schriftstellerverband der DDR. B e c k e r stimmte in der Antwort dem Ausschluß des K u n z e ebenfalls nicht zu. Danach wurde diese Veranstaltung von dem Veranstalter abgebrochen.
Anschließend begaben wir uns alle in die Wohnung des (Name geschwärzt). Dort hatten sich mittlerweile eingefunden:
Auerbach
(etliche Namen geschwärzt)
sowie eine mir unbekannte weibliche Person und eine gewisse (Name geschwärzt) aus der Sektion Theologie der FSU.
(2 Namen geschwärzt) waren wie die (Name geschwärzt) zur Post gegangen, um eine Verbindung nach Berlin herzustellen, da der (Name geschwärzt) immer noch nicht eingetroffen war. Nachdem (Name geschwärzt) zurückkam, berichtete er, dass (Name geschwärzt) noch nicht aus Berlin abgefahren sei.
Anmerkung zur Anwesenheitsliste:
Es war ebenfalls noch ein männlicher Jugendlicher aus Neulobeda anwesend.
(Name geschwärzt) berichtete ferner, dass er und (Name geschwärzt) vor Beginn der Veranstaltung mit B e c k e r gesprochen haben. Dieser habe sie zunächst von der Resolution verschiedener Schriftsteller und Künstler in Kenntnis gesetzt. B e c k e r teilte weiter mit, dass man auch über einen gewissen PEN-Club Maßnahmen einleiten will. Weiter besprach man mit B e c k e r die Möglichkeit der Einbeziehung der Jenaer Jugendlichen in diese Aktionen, um eine möglichst geringe Gefährdung für diesen Personenkreis einzugehen. Es ginge darum, so habe es der (Name geschwärzt) dem B e c k e r erzählt, dass man vermeiden sollte, unnütze Opfer zu bringen, dass wir aber bereit sind, auch alle Konsequenzen auf uns zu nehmen.
B e c k e r versicherte, daß er, sobald er wieder in Berlin sei, sich darum kümmern werde und daß er über die (Name geschwärzt) dann Nachricht zukommen lassen will. Wie (Name geschwärzt) berichtete, soll eine Mitteilung des B e c k e r , die dieser vor der Veranstaltung in den Briefkasten der H a v e m a n n gesteckt hat, verschwunden sein. Ein Brief, der sich ebenfalls in diesem Briefkasten befand, war geöffnet worden. Wie mir die (Name geschwärzt) mitteilte, stellt sich die Mehrheit der Sektion Theologie (Studenten) ebenfalls hinter B i e r m a n n. Über sie und über den (Name geschwärzt) soll angefragt werden, ob man es befürwortet, gemeinsame Aktionen zu starten. Der treibende Keil in der Sektion Theologie sei, so berichtet es die (Name geschwärzt), die (Name geschwärzt) und ihr engerer Freundeskreis sowie diese (Name geschwärzt).
Grundsätzlich wurde zum Abschluß, nachdem man sich die neuesten Nachrichten im BRD-Rundfunk zu Gemüte geführt hat, festgelegt, daß keine Einzelaktionen durchgeführt werden sollen, daß wir auf die Antwort des B e c k e r warten wollen, daß wir aber gleichzeitig an alle Bekannten- und Freundeskreise in der ganzen DDR Mitteilungen schicken, um sie für eine gemeinsame Aktion zu gewinnen. Diese Briefe sollen per Einschreiben und per Eilboten versandt werden. (Name geschwärzt) soll sich umgehend an den (Name geschwärzt) in Karl-Marx-Stadt wenden. Für Donnerstag, den 18.11.1976, wurde ein Zusammentreffen um 19.30 Uhr in der JG festgelegt. Man erwartet eventuell, daß (Name geschwärzt) schon neue Dinge aus Berlin mitbringt. Gleichzeitig will man die öffentlichkeitswirksame Arbeit vorantreiben. Wie ich weiter erfuhr, hat man in der Nacht vom 16./17.11.76 bis ca. 03.00 Uhr sich in der Wohnung des (Name geschwärzt) aufgehalten, um die neuesten Nachrichten auszuwerten. Man kam jedoch zu keinem Ergebnis.
Anmerkung: Wie bekannt wurde, plant die Schloßgasse ebenfalls Aktionen, Näheres ist jedoch allen Anwesenden an diesem Abend nicht bekannt geworden.
gespr. Helmut Falke
F.d.R.d. Tonbandabschrift
18.1.1976 Bo
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