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Wahl 50 - Hermann Joseph Flade_RHG_Fo_HAB_16354

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Zeitungsbericht über Hermann Joseph Flade, Oktober 1960. Quelle: BStU, MfS, Ast Chemnitz, 12/52 GA/Beiakte 1
Zeitungsbericht über Hermann Joseph Flade, Oktober 1960. Quelle: BStU, MfS, Ast Chemnitz, 12/52 GA/Beiakte 1


Abschrift:

Zeitungsbericht über Hermann Joseph Flade, Oktober 1960

Gebt Hermann Flade frei !
Heute vor zehn Jahren wurde der Oberschüler in der Zone verhaftet


Heute vor zehn Jahren, in der Nacht zum 15. Oktober 1950, wurde der achtzehnjährige Oberschüler Hermann Josef Flade von zwei Volkspolizisten in Olbernhau (Erzgebirge) gestellt, als er einige der mit Hilfe eines Druckkastens produzierten 150 Flugblätter verbreitete, die gegen die Einheitsliste der "Volkswahlen" protestieren sollten.

D. T. Berlin, 14.10. (Eigenbericht)
Flade wehrte sich bei der Festnahme mit einem Messer, wobei er einen Volkspolizisten verletzte. Als der Vorsitzende der Zweiten Großen Strafkammer des Oberlandesgerichts zu Dresden, Hartlich, im Januar 1951 das Todesurteil gegen den Oberschüler verhängt hatte, machten wir im TAG vom 17.1.1951 die Welt auf dieses Urteil aufmerksam. Längst war der Volkspolizist wieder genesen. Der Oberschüler sollte auf das Schafott.

Damals schrieben wir: "Dies könnte und müsste für ein Volk mit echtem Staatsbewusstsein ein Fanal sein. Ein Fanal, in ganz Deutschland für diesen Todeskandidaten einzutreten. Vielleicht wäre es durch eine breite Wirkung einer Flade-Aktion noch möglich, den Achtzehnjährigen vor dem Schafott zu retten."

Die Empörung war groß in dem damaligen Deutschland. Flade wurde nicht hingerichtet. Für 15 Jahre schickte man ihn ins Zuchthaus. Zehn Jahre hat er davon abgesessen. Trotz einer schweren Tbc-Erkrankung wurde er nicht entlassen.

In diesen Tagen werden die Häftlinge in der Zone überprüft, um 12000 von ihnen für den Gnadenerlass anläßlich Walter Ulbrichts Ernennung zum Vorsitzenden des Staatsrates auszusuchen. Flade fiele unter die Amnestie, denn er hat heute, am 15. Oktober, zwei Drittel seiner Strafe verbüßt.

Wir wissen nicht, ob er Ende November aus dem Zuchthaus entlassen wird. Aber es könnte doch sein, dass sich in diesem tragischen Fall einmal das Herz derer erweichen ließe, die in Ostberlin über die Amnestiewürdigkeit befinden.

Wenn das Regime glaubt, es sei immer noch so schwach wie im Jahre 1950 und 1951, als es einen Achtzehnjährigen zum Tode verurteilen mußte, der erst zwei Wochen vor den sogenannten "Volkswahlen" aktiv wurde und bis zu dieser Zeit sich nichts zuschulden kommen ließ – dann müssen wir daran zweifeln, dass Flade amnestiert wird.

Hermann Josef Flade mag ein Symbol geworden sein oder nicht, denn die Menschen vergessen schnell. Aber er ist ein junger Deutscher, ein Mensch, der nach zehn Jahren Zuchthaus, in denen ihm seine Jugend zertrümmert wurde, einer Amnestie wohl würdig wäre. Das freie Deutschland wünscht es ebenso wie das unfreie Deutschland.

C.W.



Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft (BStU-Kopie)

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