In den 1980er Jahren sind viele DDR-Bürger für die Belange des Umweltschutzes sensibilisiert, und das hat viele Ursachen: Verdreckte Häuserfassaden künden von der Luftverschmutzung, die marode Chemieindustrie sorgt für stinkende, vergiftete Seen und Flüsse. Die riesigen Mondlandschaften der Tagebaue im Süden und Osten des Landes sowie das Waldsterben zeigen die fatalen Folgen der DDR-Energiepolitik.
Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Aktivierung der DDR-Umweltbewegung spielt die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986, die von DDR-Führung und -Medien extrem verharmlost wird. Nicht zuletzt dies führt dazu, dass sich mehr Menschen als zuvor mit den Belangen des Umweltschutzes auseinandersetzen. Wenngleich auch nur wenige – darunter besonders viele junge – den Schritt hin zum aktiven Widerstand gegen den Staat wagen.
Die Oppositionsbewegung der DDR ist bis zum Herbst 1989 kaum überregional organisiert. Die meisten Aktionen werden in kleinen informellen Gruppen geplant und realisiert, was den gebündelten Widerstand gegen das System erschwert. Doch alle engagieren sich Ende der 1970er Jahre – und vor allem in den 1980ern – gegen die Umweltzerstörung, die Militarisierung der Gesellschaft und vor allem die Verletzung grundlegender Menschenrechte.
Die meisten Gruppen sitzen in den wenigen Großstädten der DDR, vor allem in Berlin und Leipzig sowie in einigen Problemgebieten. Ihre Vorbilder sind die polnische freie Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc und die tschechische Bürgerrechtsbewegung Charta 77. Verwandte Themen werden aber auch bei gesellschaftskritischen Initiativen im Westen gefunden.
Den meisten Oppositionellen geht es in den 1970er Jahren mit ihrer Kritik vorrangig um eine Reform des Sozialismus. Allen gemein ist die Unzufriedenheit mit der gesellschaftlichen Situation in der DDR. Die Mittel und Wege, mit denen sie Veränderungen erreichen wollen, sind so verschieden wie die Menschen, die gegen den DDR-Staatsapparat aufstehen.
Luftverpestung, Wasserverseuchung, Waldsterben
Die Aktivisten der DDR-Umwelt-, Friedens- und Menschenrechtsgruppen stammen häufig aus Intellektuellen- und Künstlerkreisen. Unter ihnen sind viele junge Leute, Schüler, Lehrlinge und Studenten. Der größte Teil von ihnen steht mit der Kirche in enger Verbindung – manchmal aus rein pragmatischen Gründen, da einzelne Kirchenmitarbeiter die Arbeit der Opposition bis zu einem gewissen Grad unterstützen, indem sie Räume bereitstellen und die eigene Mitarbeit anbieten.
Die DDR-Opposition bleibt bis in die späten 1980er Jahre klein. Zu diesem Zeitpunkt sind es nur etwa 2.500 Personen, die in Oppositionsgruppen mitarbeiten, und circa 800 Personen, die im aktiven Kern der DDR-Opposition dabei sind. Manche von ihnen sind in mehreren der etwa 160 Basisgruppen und -initiativen zusammengeschlossen.
Dass die Zahl der Aktivisten relativ überschaubar ist, liegt in der Kombination aus totaler Überwachung der Bevölkerung nicht nur durch das MfS und der harten Abstrafung der überführten Systemgegner. Viele DDR-Bürger haben Angst – oder sich gut eingerichtet. Sie scheuen vor einer Konfrontation mit der Staatsmacht zurück, riskieren wenig und sorgen sich um ihre Karriere. Zudem verhindert das Medienmonopol der Regierung die Verbreitung oppositioneller Positionen. Der Aktionsradius der einzelnen Gruppen bleibt daher oft regional beschränkt.
Überwachung, Einschüchterung, Bespitzelung
Vor allem durch kirchlich organisierte Seminare und persönliche Freundschaften gelingt es den Mitgliedern der DDR-Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsbewegung, untereinander Verbindung zu halten. (Johanna Kalex berichtet darüber im Zeitzeugen-Video.) Erst in den späten 1980er Jahren setzt eine DDR-weite Vernetzung der Gruppen ein. Jetzt werden teils überregionale Gruppen wie die Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM), der Freundeskreis Wehrdiensttotalverweigerer oder das Grün-ökologische Netzwerk Arche gegründet.
Auch Umwelt-Bibliotheken werden an verschiedenen Orten gegründet. Sie bilden wichtige Kommunikationszentren der Bürgerrechtsszene. Am wichtigsten wird die Gründung der Ostberliner Umwelt-Bibliothek (UB) 1986. Sie gibt systemkritische Zeitschriften wie die Umweltblätter oder den telegraph heraus, deren Inhalte von Interessierten im ganzen Land gelesen und diskutiert werden. Zudem verfügt die UB über umfangreiche, auch verbotene Literatur zu Umwelt- und Menschenrechtsfragen. In den Räumen der UB finden Diskussionen, Konzerte und Lesungen mit teilweise vom Auftrittsverbot betroffenen Künstlern statt.
Die Stasi schläft nicht: Sie hat in die einzelnen Gruppen Spitzel eingeschleust, die den Geheimdienst über Aktivitäten der „feindlich-negativen Elemente“ auf dem Laufenden halten. Dass die Gruppen von der Bespitzelung wissen, erschwert ihre Arbeit. Schließlich weiß man nie, ob der neue Mitstreiter ein Stasi-Spitzel ist.
Erst mit der Friedlichen Revolution 1989 können die Gruppen aus der Illegalität heraustreten. Trotz vorhandener inhaltlicher Differenzen zwischen den einzelnen Strömungen entschließen sich die meisten von ihnen, gemeinsam zur ersten freien Wahl der Volkskammer, dem DDR-Parlament, im März 1990 anzutreten – unter dem Namen Bündnis 90.
Zitierempfehlung: „Umwelt, Frieden und Menschenrechte“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145322
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Wir hatten eigentlich ein ganz gutes Netzwerk. Dadurch, dass jedes Jahr dieses ´Konkret für den Frieden` war, hat man viele Leute kennen gelernt und Kontakte schließen können. Viel ist auch über private Freundschaften passiert. Wolfgang Rüddenklau habe ich einfach mal besucht. Und wir hatten ganz gute Kontakte nach Berlin. In Leipzig hatte ich auch Freunde, wo man sich abgesprochen und geholfen hat. Später konnten wir in der Umwelt-Bibliothek sogar mal die Technik verwenden und was drucken.
Wir hatten noch ganz gute Kontakte zur ´Charta 77` in Prag, was sich durch die Nähe von Dresden zu Tschechien ergab. Da war ich regelrecht befreundet mit Anna. Wir haben Kinderklamotten ausgetauscht und uns besucht. Aber haben auch Texte von der ´Charta 77` rübergeholt, übersetzt und im ´grenzfall` [Samisdat-Zeitschrift der Initiative Frieden und Menschenrechte - IFM] abgedruckt. Diese Kontakte gab es ins Ausland. Eigentlich war es ein ganz gut funktionierendes Netzwerk.
Johanna Kalex, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de