Proteste der DDR-Prominenz gegen die Biermann Ausbürgerung
Einer der Ersten, der 1976 öffentlich auf die Nachricht von der Ausbürgerung Wolf Biermanns reagieren, ist dessen enger Freund Robert Havemann. Der damals wahrscheinlich bekannteste DDR-Regimekritiker spricht sich in einem Offenen Brief an Erich Honecker klar gegen die Ausbürgerung aus. Er schreibt: „Die Männer, die diesen Beschluss gefasst haben, waren wirklich schlecht beraten. Sie waren es, die das Ansehen unserer DDR, das wir verteidigen, beschmutzt haben.“ (Der Spiegel, Nr. 49, 22. November 1976)
Schon einen Tag vor der Ausbürgerung Wolf Biermanns wird ein Haftbefehl gegen Robert Havemann ausgestellt. Doch den Mächtigen ist das Risiko zu groß, dass der gesundheitlich angeschlagene Antifaschist, der ein Todesurteil der Nazis überlebt hat, im DDR-Gefängnis stirbt. Kurz nach Erscheinen des Spiegel-Artikels wird Robert Havemann deshalb mit einem Hausarrest belegt, der zweieinhalb Jahre andauert.
Auch zahlreiche andere Prominente nehmen Stellung. Einige der wichtigsten DDR-Künstler und Schriftsteller verfassen unmittelbar nach Wolf Biermanns Ausbürgerung am 16. November 1976 ebenfalls einen Offenen Brief an die DDR-Führung. Weltweit bekannte Namen wie Christa Wolf, Stefan Heym oder Franz Fühmann erscheinen in der Unterschriftenliste. Die DDR-Oberen sind empört.
Ohnehin ist das Verhältnis der Staatsführung zu „ihren“ Künstlern seit jeher schwierig gewesen. Die SED ist gezwungen, den Intellektuellen gewisse Rechte und Privilegien einzuräumen, versucht aber auch immer wieder, ihre kritischen Stimmen unter Kontrolle zu halten. Der Offene Brief wird nun als direkter Angriff gegen den Staat verstanden, der umso schlimmer wiegt, da er vor den Augen der Weltöffentlichkeit stattfindet.
Es gibt aber auch Prominente, die die Entscheidung der DDR-Führung unterstützen – wie die Schriftstellerin Anna Seghers. Oder solche, die unter dem Druck der SED-Führung ihre Unterschriften unter den Bittbrief zurückziehen – wie der Bildhauer Fritz Cremer. Im Partei-Verlautbarungsblatt Neues Deutschland vom 22. November 1976 wird deren Zustimmung zur Ausbürgerung veröffentlicht. Es wird jedoch keine einzige kritische Meinung abgedruckt – auch nicht der Protest der prominentesten Künstler des Staates.
Der Offene Brief der Prominenten wird aber auch ohne die DDR-Presse im ganzen Land bekannt: durch die Westmedien. Einige mutige DDR-Bürger lesen den Brief ihren Freunden vor, schreiben ihn ab und verbreiten ihn illegal. Viele von ihnen werden dafür hart bestraft.
Zitierempfehlung: „Proteste der DDR-Prominenz gegen die Biermann Ausbürgerung“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145338